[TW] You can stop r**e: Schritt 6 – Diskriminierung bekämpfen

Auch erschienen auf takeover.beta

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Schlagwörter: r**e culture – sexualisierte Gewalt – Diskriminierung – Intersektionalität

Wie ich damals in Teil 1 recht planlos schrieb, kann man sexualisierte Gewalt bekämpfen, indem man sexistische Schimpfwörter nicht mehr nutzt. Ich möchte auf diesem Punkt aufbauen und ihn erweitern:

Wenn du sexualisierte Gewalt bekämpfen willst, ist der Kampf gegen Diskriminierung an sich unumgänglich.

Sexismus

Sexismus ist hier vielleicht das offensichtlichste Beispiel: wenn die Meinung und Selbstbestimmung von Frauen* als zu vernachlässigen wahrgenommen wird, wenn Menschen mit Gebärmutter nicht alleine über ihren Körper verfügen dürfen, wenn man durch Werbung glauben könnte, Brüste existieren als eigenständige Lebensform, weil so selten ein zugehöriger Kopf gezeigt wird, hat das einen Effekt darauf, wie wir weiblich gelesene Menschen wahrnehmen und behandeln.
Die daraus entstehende herablassende Haltung wird nicht vor der Wohnungstür abgestreift, sondern in Beziehungen und Familien hineingetragen. (Wir erinnern uns: sexualisierte Gewalt wird zu einem großen Prozentsatz von Menschen verübt, die den Betroffenen bekannt sind.)
Genauso werden sexistische Haltungen zementiert und in die nächste Generationen getragen, indem sie von der Werbung, den Medien, Institutionen und auf der Straße (Stichwort Street Harassment) wieder und wieder abgespult werden.
Dieser für weiblich gelesene Menschen bedrohliche Gesamtzustand lässt sich nicht (nur) dadurch auflösen, dass wir alle fleißig Consent praktizieren, denn nur ein kleiner Prozentsatz aller Menschen weiß überhaupt um das Konzept. Wir brauchen stattdessen ein entschlossenes Vorgehen gegen jede Form von Sexismus, vor allem auch mit Unterstützung der Menschen, die nicht täglich davon betroffen sind.

Aber da hört es nicht auf

Es reicht nicht, sich nur gegen Sexismus stark zu machen.
Sexualisierte Gewalt wird immer dort begünstigt, wo Menschen Menschenrechte vorenthalten werden. Das ist bei jeder Form von Diskriminierung der Fall.

Sehen wir uns an, was passiert, wenn Rassismus Sexismus trifft: wer hat nicht von den rassistischen Stereotypen der feurigen Südländerin, exotischen Asiatin oder osteuropäischen Sexarbeiterin* gehört? Frauen* werden dabei schon schlicht durch die (vermutete) Herkunft ihrer Vorfahr*innen in einen sexualisierten Kontext gerückt. Aber nicht nur die damit verbundenen Anfeindungen und Übergriffe sind ein gefährlicher Faktor, vor allem auch rassistische Mechanismen in der Gesellschaft selbst.
Frauen* of Color werden häufiger als weiße Frauen* in Ausbildungsstätten, Ämtern und bei der Arbeit diskriminiert, wodurch sie es u.a. schwerer haben, finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen. Finanzielle Unabhängigkeit ist jedoch wichtig, um sich z.B. von einer*m gewalttätigen Partner*in zu trennen. Für einige Frauen* sind Sprachbarrieren und der Aufenthaltsstatus selbst ein Hindernis dabei Hilfe oder rechtlichen Beistand zu erhalten; Entsprechend hoch (sh. PDF) ist der Anteil von Migrantinnen* und Frauen* of Color in Frauen*häusern.
Nicht zuletzt die Absurdität sich an einen rassistischen Polizeiapparat wenden zu müssen, der bei sexualisierter Gewalt ohnehin unzuverlässig arbeitet, verschlechtert die Lage weiter.

Diese Gedanken lassen sich aber, wie gesagt, für jede Form von Diskriminierung durchspielen.
Menschen mit Behinderung sind wesentlich gefährdeter, als Menschen ohne Behinderung. QUILT*BAG-Menschen sind Belästigung auf der Straße und menschenrechts-verletztendem Verhalten der Polizei ausgesetzt. Es fehlt selbst das grundlegende gesellschaftliche Verständnis, dass sexualisierte Gewalt nicht einfach aus der Formel „Cis-Mann greift Cis-Frau an“ besteht.
Kinder und Jugendliche stehen häufig in einer Abhängigkeits-Beziehung zu den Täter*innen. Dazu kommt noch einiges: Sie gelten als wenig glaubwürdig, oft haben sie keinen Vergleich für die Behandlung, die ihnen widerfährt. Woran eine (emotional, körperliche, sexualisiert) gewalttätige Behandlung erkennen, wenn die Hauptbezugsperson erklärt, dass alles seine Richtigkeit hat?

Am Ende ist es so, dass jede Form von Diskriminierung die Betroffenen angreifbarer für sexualisierte Gewalt macht. Willst du sexualisierte Gewalt bekämpfen, dann lerne diskriminierendes Verhalten zu erkennen und greife ein – bei dir selbst und bei anderen.

Adultismus – Wer sind die Bösen?

Schlagwörter: Intersektionalität – Eltern – Kinder – Adultismus – unsere Gesellschaft – Familie

[Meine Lektüre: Erich Fromm (so lala), Arno Gruen (okay), Alice Miller (schon besser), Marshall Rosenberg (dazu komme ich später)]³

Wenn Kinder sehr klein sind, sind sie abhängig von einer Bezugsperson/Bezugspersonen. Sie sind es in physischer Hinsicht, aber auch in emotionaler. Diese Bezugspersonen helfen ihnen idealerweise, ein Sinn für das eigene Ich zu entwickeln, dafür dass ihre Bedürfnisse zählen und wichtig sind und dass sie selbst liebenswert sind. Im Wortsinne: es wert, geliebt zu werden.
Mit zunehmendem Alter vollzieht sich eine Trennung von der Bezugsperson. Wenn die Beziehung funktioniert, ist die irgendwann vollständig: man steht sich als getrennte Personen gegenüber, die die Bedürfnisse der jeweils anderen anerkennen und für ihre eigenen eintreten.
Oft funktioniert es nicht.

Familie wird dennoch als der Nährboden für alles Gute dargestellt. „Blut ist dicker als Wasser“ und all dieser Unsinn. Ich habe jedoch bewusst „Bezugsperson“ und nichts von Eltern geschrieben, denn es besteht keine Notwendigkeit, dass dies (leibliche) Eltern oder ein Mann* und eine Frau* sein müssen. So weit mir bekannt ist, müssen es auch nicht zwei Personen sein oder nicht nur zwei. Was ein Kind aber braucht, ist, wie Alice Miller es nennt, ein*e Zeug*in. Eine Person (oder mehrere), die vermittelt, was ich im ersten Absatz beschrieb. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: das Leben mit leiblichen Eltern garantiert kein*e Zeug*in.

Warum die Einleitung?

Es gibt wenige Themen, die es einer*m so schwer machen können, den Durchblick zu erhalten. Weil die menschliche Psyche zu einem guten Teil daran glauben muss, dass die eigenen Eltern/Bezugspersonen gut waren. Das ist der Grund, warum einige Kinder nicht einfach davonlaufen, wenn sie 18 werden (also die meisten, meine ich), obwohl ihre Familie sie von außen betrachtet furchtbar behandelt haben. – Selbst diese Betrachtung von außen wird oft erschwert, weil man dran gewöhnt ist, „Schrulligkeiten“ in einer Familie eher zu dulden, auch wenn sie zwischen Partner*innen als emotionale oder körperliche Misshandlung eingestuft würden. Unter anderem natürlich auch wegen Adultismus selbst: weil Kindern keine körperliche und seelische Autonomie zugestanden wird.
Was ich sagen will: Familie und besonders Eltern sind in unserer Gesellschaft stark mit Bedeutung aufgeladen, die der Gesundung von vielen Kindern, [edit]die Probleme haben[/edit], im Wege steht und auch die Betrachtung von Adultismus erschwert, weil schmerzhaft macht. („Kinder“ ist hier durchaus als „alle Personen mit Eltern/Bezugspersonen“ gemeint – also auch Menschen weit über 18. Wenn ich von der Betroffenheit durch Adultismus schreibe, spreche ich aber nur von Personen bis 18.)

Heißt es immer Eltern vs. Kinder?

Jein. Auf der persönlichen Ebene haben Eltern¹ tatsächlich eine sehr wichtige Position, die ich oben erklärt habe: das emotionale Wohlbefinden der Kinder hängt von ihnen ab. Aber Adultismus² bezieht sich meinem Verständnis nach vor allem auf gesellschaftliche Strukturen, die Eltern z.B. moralisch in ihrer Machtposition bestärken. Damit meine ich konkret, Entscheidungen „für“ statt mit ihren Kindern zu treffen, ihnen Vorschriften zu machen, ihren Lebensweg bis zur Vollendung des 18. Lebensjahr vorzuzeichnen.
Eltern haben gesellschaftliche Rückendeckung dabei, über das Leben einer anderen Person zu bestimmen.

Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass gesellschaftliche Strukturen stark bestimmen, inwiefern ein Kind anti-adultistisch behandelt werden kann.
Auch Eltern, die ihrem Kind auf Augenhöhe begegnen möchten, müssen der Schuldpflicht nachkommen, können ihre Kinder keine wichtigen Dokumente selbst unterzeichnen lassen, bevor sie volljährig sind, können ihre Kinder nicht wählen schicken usw.

Eine andere Frage ist die nach sich überschneidenden Diskriminierungen der Eltern. Wie wirkt sich das auf die Fähigkeit der Eltern aus, ihr Kind anti-adultistisch zu behandeln? Meiner Meinung nach: so gut wie nicht. Es ist korrekt, dass z.B. Alleinerziehende/Geringerverdiener*innen mit mehreren Jobs schlicht und ergreifend weniger Zeit mit den Kindern verbringen können und gerecht ist das nicht (aus einer gesellschaftlichen Perspektive). Es hat aber keinen Einfluss darauf, wie (sprich: auf welche Art, nicht wie oft) die Eltern mit dem Kind umgehen. Ob sie si:hn an Entscheidungen beteiligen oder ob sie über siren Kopf hinweg entscheiden.
Anklagen wie Rabenmutterschaft und all das fällt zu einem guten Teil unter Sexismus und nicht Adultismus. Oft für das Kind nicht erreichbar zu sein, macht noch keine adultistischen Eltern. Es kann die Eltern-Kind-Beziehung schädigen, aber hier wäre die Schuldigkeit tatsächlich nicht bei Adultismus zu suchen, sondern bei den klassistischen, rassistischen und ableistischen Strukturen unserer Gesellschaft, die den Eltern verwehren, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen.
Jedoch: Kinder werden oft als Anschaffung betrachtet. Man plant sie ins Leben ein und dann sind sie da und man freut sich. Weniger beachtet wird, ob sie etwas zum Freuen haben. Viel zu viele Eltern sind meiner Meinung nach emotional überhaupt nicht in der Lage, damit umzugehen. Kinder als Accessoir oder Haustier? Adultistisch.

Dadurch, dass ich Adultismus mit der Einleitung vermischt habe, habe ich die Themen ein wenig vermengt. Ich weiß nicht, ob es als adultistisch zählt Kinder aufgrund von äußeren Umständen z.B. zeitlich zu vernachlässigen. Dies ist ein Thema für ein andermal, wenn ich vielleicht mehr weiß.

Ich habe noch einige relevante Links durch/von takeover.beta, hoffe aber, die in einem der nächsten Artikel einfügen zu können.

1 …/Bezugspersonen“ bitte ab hier dazudenken
2 Wobei zu beachten ist, dass das Konzept des Adultismus sich stark auf Weiße bezieht. Weiteres bei accalmie. (Warnung Adultismus)
3 Ich habe diese Autor*innen vor 2 bis 5 Jahren gelesen. Ich lese sie, bis auf Alice Miller, gar nicht mehr, aus Gründen.™ Sie stehen nicht da oben, weil ich sie empfehlen will (siehe Klammern), sondern weil ich mir, unter anderem anhand dieser Bücher, eine Meinung gebildet habe. Diese ist im Artikel nachzulesen. Ich kann aber nicht mehr sagen, welche*r Autor*in konkret welche Meinung beeinflusste, daher habe ich sie alle aufgelistet.

Crossposted auf takeover.beta

IBB – Deine Beobachtungsgabe beleidigt mich

Schlagwörter: Rassismus – Derailing – Abwehrverhalten – Intersektionalität – Diskriminierung – intersektionelles Bullshit-Bingo

(Dieser Artikel nahm seinen Anfang vor dem Kuttner-Debakel. Ich schließe nicht aus, dass er auch in diesem Kontext hilfreiche Einblicke liefern kann, dafür ausgelegt ist er jedoch sicher nicht.)

Sogar die Polizei hat das größte Problem unserer Zeit erkannt*: wenn Menschen als rassistisch beleidigt werden.

Ich schreibe bewusst „beleidigt“, weil die Bezeichnung „Rassist/in“ nicht etwa als Konsequenz dessen betrachtet wird, dass man eine rassistische Handlung beobachtet hat und der Person daraufhin eine passende Bezeichnung zuweist. Sie gilt schlicht und ergreifend als Beleidigung, als würde ich „Arschloch“ sagen.
Die Logik dahinter will mir nicht in den Kopf.

Obwohl man es nach gängigen Diskussionsverhalten erwarten würde, wird nicht einmal scheinbar zum Thema gekontert („Bla kann nicht rassistisch sein, denn Bla hat nichts gegen Ausländer.“ oder „Bla ist gut befreundet mit einem Schwarzen – HOMIES FOREVER.“), nicht einmal die Mühe klassisches Derailing zu verwenden macht man sich also. „Rassist/in“ ist schlicht und ergreifend ein neues Schimpfwort geworden, dessen inhaltliche Bedeutung („rassistisch denken oder handeln“) man völlig ignoriert. Eine inhaltliche Debatte über das, was Anlass zu der Bezeichnung gab, ist damit nicht mehr möglich. Man könnte also sagen, der empörte Aufschrei nach einer Rassist/in-„Attacke“ ist die beste Derailing-Taktik.

Wegen der neuen(?) Bedeutung von „Rassist/in“ stoße ich auch in Gesprächen auf Unverständnis, wenn ich unumwunden sage: „Ja, ich bin rassistisch“. Entweder nehmen Menschen an, dass ich was falsch verstanden habe und wollen die böse Aussage, die man mir eingeredet haben muss, abschwächen oder Personen, die mir näher stehen, sind der Meinung, dass ich es mit meiner kritischen Selbstanalyse inzwischen übertrieben habe und „nicht so hart mit mir ins Gericht gehen“ solle – in jedem Falle wird „rassistisch“ im Kopf mit der beleidigenden Note in Zusammenhang gebracht.
Tatsache ist: ich sage das weder, weil ich krasse Hetze gegen Einheimische anderer Länder, Migrant*innen oder Deutsche of Color betreibe, noch weil ich Ally-Sternchen bekommen möchte, weil ich so toll introspektiv bin (à la „Seht her! Ich habe entdeckt, dass ich sexistisch bin! Geil, wa? … Oh ja, ich will voll dran arbeiten.“) – nein, für mich ist es eine nicht wertende Tatsachenbeschreibung. Man kann mich aufgrund dieser Bezeichnung bewerten, wenn man das möchte, die Beschreibung selbst ist aber keine Beleidigung. Sie sagt aus, dass ich weiß, dass ich als Weiße in einem rassistischen Land aufgezogen wurde und all die Bilder, die ich dadurch aufgenommen habe und noch aufnehme, ihre Spuren hinterlassen haben, gegen die ich aktiv vorgehen, die ich aber sehr unwahrscheinlich restlos beseitigen kann. Viele werden mir wahrscheinlich auch nie bewusst. Ganz davon abgesehen, dass ich spätestens bei rassistischen Strukturen mit Solidarität nicht weit komme. Ich kann dagegen protestieren, dass racial profiling als zulässig erklärt wurde, werde aber immer noch weiß sein, wenn ein*e rassistische*r Kontrolleur*in in der Bahn meine Karte mit dem Blick streift und bei der schwarzen Frau* neben mir ganz genau hinsieht.

Also merke: nicht alles, was weh tut, ist eine Beleidigung. Manchmal ist der Schmerz ein Zeichen von unwillkommener Erkenntnis.
Es war zwar nicht beabsichtigt, dass es wieder einen roten Faden in meinen Beiträgen gibt, aber ich kann nur auf meinen vorherigen Artikel zum Abwehrverhalten verweisen: wenn dich eine*r als -istisch bezeichnet, mach’s erst mal ganz in Ruhe mit dir aus, bevor du losschlägst.

*In dem Fall, von dem ich spreche, sagte ein Polizist etwas sehr Rassistisches zu einer Frau* (was ich aus diesem Grund nicht verlinke), die daraufhin darauf bestand, dass die Aussage nicht in Ordnung sei. Dann zeigte man sie an.

Crossposted auf takeover.beta

It’s magic

Schlagwörter: Intersektionalität – Diskriminierung – wtf

Leute sind feministisch, aber rassistisch. Leute sind feministisch, anti-rassistisch, aber hassen Trans*leute. Leute sind feministisch, anti-rassistisch, anti-cissexistisch, aber machen Behindertenwitze. Witze über Homosexuelle, regen sich über Fett an einem Menschen auf. Warum? Warum sind Menschen so?
Man hat doch wahrscheinlich als erstes erkannt, dass es nicht rechtens ist, eine bestimmte Menschengruppe nachteilig zu behandeln. Häufig fing es mit einer an, zu der man selbst gehörte oder Menschen, die man liebt. Aber warum fällt es vielen anscheinend so schwer zu erkennen, dass es andere Menschen mit anderen Eigenschaften gibt, die deswegen nicht weniger ein Recht auf Leben mit den gleichen Chancen und einem gleichen Maß an Glück haben? Warum bezeichnet man sich als intersektionell, aber macht Witze über „Hartz IV-Fernsehen“. Warum lebt man vegan, aber findet sexistische Peta-Werbung in Ordnung? Wie funktioniert diese kognitive Dissonanz? Warum gibt es „gute“ und „schlechte“ Diskriminierung?
Das geht doch nur, wenn man Menschen unterschiedliche Werte beimisst. Die einen haben’s verdient, ein sicheres Leben zu haben und die anderen haben es „verdient“, im Dreck zu kriechen. Warum? Diese Menschen sind – nicht – anders. Was du in deinem Inneren spürst, spüren andere Menschen auch. Was dich leben lässt, lässt auch andere leben. Niemand kann ohne Gemeinschaft und ohne Liebe leben. Keine*r kann ohne Autonomie, Selbstverwirklichung, und Grenzen auskommen.

Und eine Gemeinsamkeit wird immer bestehen: wir werden alle sterben.

Also warum zum Teufel sind „Kleinigkeiten“ in Ordnung? Warum müssen Menschen mit „’nem Späßchen doch mal klar kommen“? Warum lässt man Unmenschliches durchgehen?

Das ist es alles nicht wert.

Ein Missverständnis

Hiermit möchte ich ein Missverständnis quasi präventiv¹ aufklären: ich stehe nicht für den weißen, hetero- und monosexuellen, binären, cis, mittelklasse, physio- und neurotypischen Feminismus. Ich besitze einen großen Teil dieser Eigenschaften, aber ich bin der Ansicht, dass sie nicht der Maßstab sein dürfen, an dem gemessen wird, wessen Belange wichtig sind. Es sind auch und vor allem die Belange derjenigen Menschen wichtig, die entsprechende Privilegien nicht ihr eigen nennen können. Ich kann nicht über soziale und institutionelle Ungleichbehandlung diskutieren, wenn ich die Identität einer Person nur über ihr Geschlecht definiere. Dadurch werden meine Argumente schwächer, weil ich die Realität zu stark vereinfache.
Unser Leben ist manchmal unübersichtlich und kompliziert. Umso erstaunlicher ist es, dass Leute so oft glauben, ein Teil der Identität eines Menschen würde ihnen alles über diese Person verraten. Woher weißt du, ob eine muslimische Frau* gezwungen wurde, ein Kopftuch zu tragen? Wer hat dir verraten, dass der fertige Typ* da drüben ein nichtsnutziger Alkoholiker ist und nicht gerade von der Nachtschicht kommt? Warum meinst du, aus der Hautfarbe dieser Person lesen zu können, dass sie nicht Deutsch spricht und nicht in Deutschland geboren wurde und kein regelmäßiges Einkommen hat?** Das bildest du dir alles nur ein!
Die Menschen, über die du (und ich) mir nichts dir nichts Urteile fällst, haben ein ebenso ausgefülltes und unvorhersehbares Leben wie du. Sie treffen Entscheidungen aus komplexen Gründen. Sie blicken auf eine Lebensgeschichte, die du nie vollständig wirst nachvollziehen können.
Flache Charaktere, die diese Haarfarbe haben und jene Hobbys und gerne Wein trinken gibt es nur in Literatur und Film. Echte Menschen sind unvorstellbar komplizierter.
Also maß dir bitte nicht an zu wissen, warum jemand dies und jenes tut oder anzieht, nicht mag oder befürwortet. Menschen sind mehr als einer Schablone entstiegen, aus der man sie ausgeschnitten hat.
Und darum können wir Sachverhalte nicht nur durch eine Linse betrachtet diskutieren. Man kann Personen nicht ansehen und sagen: du bist eine Person of Color, also bist du von x betroffen. – Hat sie Geld oder nicht? Ist sie männlich, weiblich oder genderqueer? Ist sie physiotypisch oder körperlich behindert? Usw. usf.
Deswegen funktioniert einfacher Feminismus nicht. Es gibt Aspekte einer Identität abseits des Geschlechts, die hineinspielen in die Art, wie eine Person wahrgenommen und behandelt wird. Wenn man beim Geschlecht aufhört, tut man Menschen Unrecht, weil man viele Probleme, mit denen sie konfrontiert sind, von vornherein nicht anspricht und als irrelevant² abtut. Dies möchte ich nicht unterstützen.

1 vorbeugend
2 unerheblich, unwichtig

**Ich möchte mit diesen Beispielen nicht sagen, dass es falsch oder schlimm wäre, keine Arbeit zu haben.

Links 17

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Wie Schönheit konstruiert wird – und wie man sie selbst herstellt [Englisch]

Beschreibung einer Gesellschaft, in der Zustimmung groß geschrieben wird [Englisch]

Erfolgsgeschichte der Frauen*quote in der Berliner Stadtreinigung

Leider mit Cis-Sexismus und Sexismus-Fail, aber sonst sehr guter Text darüber, wie eklig Perioden für Männer* sind [Englisch]

Sehr gute Erklärung, warum Trans-Männer „Tranny“ nicht reclaimen können und über die Überschneidungen von Transsexualität mit anderen Formen der Diskriminierung [Englisch]