Links 39

Schlagwörter: Rassismus – Deutschland – Oury Jalloh – fat shaming – ableismus – Trans*feindlichkeit – selbstverletzendes Verhalten – Heilung – Negativität – Armut – Klassismus – Hartz IV – Arge – Cathy Brennan – Lily Allen – Outing – Knorkator – Männlichkeit – gender

Der Nutzen von Negativität – Warum soll man immer fröhlich sein, wenn man eine schmerzhafte Zeit durchmacht?
[Englisch]

Über die „Schuld“, die selbstverletzendes Verhalten hervorzurufen scheint
[Deutsch] von @lightsneeze

Klassismus

Warum arme Menschen Geld für Luxusgüter ausgeben und was Markenkleidung mit einer erfolgreichen Bewerbung zu tun hat
[Englisch] via @goldfish

Arbeitsamt versucht mit aller Macht zu verhindern, dass Kinder in einer Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft Abitur machen
[Deutsch] via @inuido @antiprodukt

Wenn Träume mit Klassismus zusammentreffen
[Deutsch] via @_fluoreszent

Hate

Trans*feindliche „Feministin“ Cathy Brennan outet trans* Sexarbeiter*innen – Was bedeutet ein Outing?
[Englisch] via @goldfish

Musikerin Lily Allen als weitere weiße Frau, die Schwarze Frauen als Requisiten benutzt
[Englisch] via @_accalmie

Deutscher Rassismus

Die „linke“ Band Knorkator hat sich ein kolonial-rassistisches Motiv für die neue Kampagne ausgesucht. Nochmal ganz langsam, warum das nicht ok ist.
[Deutsch] von @atif_nour via @_accalmie

Neues Gutachten bestätigt: Oury Jalloh wurde in einer dessauer Zelle ermordet. Der deutsche Staat tut weiter nichts.
[Deutsch]

Körper, Geist, Gender

Gehen Dicke zum*r Árzt*in, kommen sie selten mit einer hilfreichen Diagnose hinaus
[Deutsch] via @halfjill_2010

Schlechte Menschen als psycho- oder soziopathisch zu bezeichnen, ist Ableismus
[Englisch]

Männlichkeiten* gehen auch ohne Raumeinnehmen und Gewalt
[Deutsch] von @baum_glueck

Links 33

Schlagwörter: Armut – Ableismus – Klassismus – Feminismus – Facebook – Hartz IV – Sanktionen – Klein-Sein – Zusammenarbeit – Aggressionen – Gender – Ölkatastrophe – Humor

Hartz IV-Mahnbescheide gehen auch an Kinder. Illegal? Scheißegal!
[Deutsch]

Wie ein kalabrisches Dorf (Italien) und Geflüchtete zusammenarbeiten und einen Ort retten
via @kiturak [Deutsch]

Übers Klein-Sein
via @baum_glueck [Deutsch]

Inhaltswarnung: Zitat von sexistischen Kommentaren und Bildern, die sexualisierte Gewalt unterstützen
Facebook zensiert feministische Inhalte, während frauen*feindliches Material ungenügend bis gar nicht entfernt oder bestraft wird
via @kiturak [Englisch]

Auf welche Art Gewalt und Aggressionen abhängig vom Geschlecht interpretiert werden
[Englisch]

„The assumption that disability is isolating approaches the problem from the wrong direction. People are isolating, and they isolate other people on the basis of their disability status.“
Weiterlesen
[Englisch]

Ein*e Ally für Leute mit Behinderung zu sein heißt: sich an ihre Behinderung erinnern
[Englisch]

Die unbeachtete Ölkatastrophe im Nigerdelta
[Deutsch]

The rule of reciprocity: Menschen geben, auch gegen ihren Willen
[Englisch]

Bundesregierung gefällt aktueller deutscher Armutsbericht nicht, weil er die ungerechte Lage zu deutlich widergibt
[Deutsch]

Erstes afro-deutsches Malbuch!
@hakantee via @fasel [Deutsch]

Zum ersten Mal: Links, mit denen ihr über die vorherigen Links hinwegkommen könnt
Xena [Englisch]
Die beste Katzengif, wo gibt (via @ekelias)
Auch die Basics zu trans* können lustig sein [Englisch]

Weitere Linksammlungen

Links 31

Schlagwörter: Blackface – Femen – Feminismus – Klassismus – Sexismus – Rassismus – antimuslimischer Rassismus – Aktivismus – Gewalt – trans*

Lächelpflicht für Einzelhandes-Verkäufer*innen, die Gefühle tötet
via @NurGedanken [Deutsch]

(Trigger-Warnung: Thema Gewalt gegen Frauen*) Großartige Kommentare. Großartiger Thread.
“Men are afraid that women will laugh at them. Women are afraid that men will kill them.” – Margaret Atwood
[Englisch]

(Trigger-Warnung: Bildliche Darstellung von Blackface) Diese Links sollen darauf aufmerksam machen, dass auch in Freiburg, Breisgau rassistisches Theater mit Blackface veranstaltet wird. Es befindet sich keine kritische Analyse in den Artikeln!
Bild 1
Bild 2
[Deutsch]

Das I-Wort
[Deutsch]

Wenn die Leute auf dem Dorf dich weniger anstarren als die hippen Aktivist*innen in der Stadt
[Englisch]

Das Problem von Femen
Auszug: „Feminism has the potential to be greatly emancipatory by adopting an anti-racist, anti-homophobic, anti-transphobic and anti-Islamophobic rhetoric, instead of often actively being racist, homophobic, transphobic and Islamophobic.“
via @samiaalthar [Englisch]

Der Diskurs liegt mir einfach im Blut

Auch erschienen auf takeover.beta

Schlagwörter: Fremdwörter – Ausschluss – Fachsprache – Feminismus – akademisch – Klassismus – Ableismus – erasure

Ich weiß nicht, wie ich diesen Beitrag besser einleiten kann als mit diesem Tweet von @Faye_La_Chatte

Antje Schrupp greift nun auch mal kurz die Kritik an der schwierigen Sprache von feministischen Artikeln auf. Und Antje Schrupp weiß: wer nicht versteht, di:er will nicht.

Die Wahrscheinlichkeit, sich auf eine neue Idee, einen neuen Gedanken wirklich einzulassen (was noch nicht bedeutet, ihm zuzustimmen, sondern erst einmal, ihn wirklich verstehen zu wollen), hängt nicht von den intellektuellen Fähigkeiten ab oder von der Leichtverständlichkeit des Textes, sondern davon, ob man vermutet, darin etwas zu finden, das für die eigene Existenz von Belang ist – oder eben nicht.

Wem ein Problem existenziell wichtig ist, wird sich mit jedem neuen Lösungsvorschlag ernsthaft auseinandersetzen.

Antje Schrupp wiederholt gerne, dass Kritik an schweren Texten eigentlich nur von Leuten kommt, die sich halt nicht mit deren Inhalt auseinandersetzen wollen. Diese beliebte These [normalerweise: wissenschaftliche Behauptung] wurde schon von @thinkpunk und shehadistan geäußert und keine*r scheint sich dran zu stören, dass dem immer wieder widersprochen wird. Zum Beispiel in einem ganzen verfluchten Artikel von kiturak. Kiturak beantwortet sogar die Frage sehr deutlich, wer einfach Sprache (von Naturwissenschaftler*innen) fordert. Seht euch das an:

Antwort – ich tu das.

Unglaublich. Eine Person, die nicht mit einem „Gedankt sei dem Patriarchat.“ auf den Lippen aufsteht und weniger ausschließende Sprache fordert. Schauen wir weiter. Oh, guck

Scheint ja irgendwie, als würde Bäumchen in diesem Feminismus-Klub gerne mitmachen. Was haben wir denn sonst noch?

Marlen_e kommentiert unter kituraks Artikel

Ich bin so unglaublich froh über diesen Artikel […].

Mich hat diese Debatte fertig gemacht, ich fühle mich scheiße, mickrig, exkludiert und verhöhnt. Und Nadias Artikel hat das quasi komplettiert.

Ich kann nicht viel sagen hier, außer, dass ich froh bin, mich in der Debatte das erste Mal […] NICHT minderwertig, unwissend, gebildet genug und generell defizitär für “den Feminismus” zu fühlen.

Scheint, als hätte die Marlen_e so prinzipiell auch Interesse am Feminismus.

Und guten Tag, darf ich mich vorstellen: Esme ist mein Name. Ich finde Feminismus nicht scheiße. Und ich fordere leichtere Sprache.
Da wären wir also schon ein paar Menschen, die Klassismus ablehnen. Nicht zu reden von Clara Rosa, die sich dem Thema Klassismus auf einem ganzen Blog widmet. Und Feminismus auch nicht scheiße findet.

Warum mache ich diese lächerlich und pingelig anmutende Aufzählung? Weil die ganze Zeit in dieser beschissenen Debatte Erasure betrieben wird. Das heißt, dass Menschen, die von Klassismus betroffen sind/komplizierte Sprache ablehnen, unsichtbar gemacht werden. Dies geschieht völlig unverfroren durch Leute, die sich angeblich gegen Diskriminierung einsetzen. Halt ausschließlich gegen andere Formen, anscheinend. Du wirst einfach ignoriert.
Wenn man doch so gnädig ist, dich zu beachten, wirst du lapidar gefragt, wo dein Klassismus-Betroffenen-Ausweis ist. Ich weiß nicht genau, ob man aktuell nachweisen muss, dass man nicht studiert hat, von unter 200€ lebt oder was auch immer, damit einer* erlaubt wird, sich gegen den ganzen Scheiß auszusprechen.

Kleines Nebengleis (RW=Redewendung): Menschen zu zwingen, die Diskriminierung, von der sie betroffen sind, offenzulegen, ist unsolidarisch. Es kann beschämend sein und führt in jedem Falle dazu, dass negativ Betroffene sich seltener äußern können. Ausgerechnet zu Themen, die sie am krassesten einschränken!
Hinzu kommt eine sonderbare Einstellung, die ich in letzter Zeit öfters gelesen habe. Sie besagt, dass nur Echte Diskriminierte „ihre“ Form von Diskriminierung kritisieren dürfen. Ich verstehe dieses Konzept von vorne bis hinten nicht: Betroffene sollen absichtlich allein gelassen werden? Sie sollen dazu gezwungen werden, sich erst zu outen und dann alleine gegen die Ablehnung zu kämpfen, die ihnen entgegenschlägt? Sie sollen alleine, obwohl sie sich in einer angeblich fortschrittlichen Bewegung wie dem Feminismus befinden, ihren Weg freikämpfen? Was ist das für ein furchtbares Konzept?
Dass es nicht in Ordnung ist über andere hinweg zu sprechen, ist mir klar. Aber wenn jede Form von solidarischer Unterstützung als Bevormundung bezeichnet wird, haben wir ein Problem.

Was Antje Schrupp im obigen Zitat tut und durch diesen Zwang zum Outing geschieht, ist Unsichtbarmachen von Klassismus-Betroffenen. Es ist darüber hinaus Victim Blaming. Es ist so unglaublich verdreht, es ist kaum zu begreifen: nicht die Menschen trifft die Schuld, die durch Sprache ausschließen. Die Schuld trifft die Leser*innen, die die Texte einfach nicht genug verstehen wollen. Sonst hätten sie ja keine Probleme. Antje Schrupp gibt in ihrem eigenen Artikel zu, dass ein Teil ihrer Zielgruppe ein Fremdwörterlexikon zücken muss, um sich durch entsprechende Texte zu arbeiten und die Konsequenz, die sie daraus zieht, ist dass andere es einfach nicht genug versuchen.

Das Argument, dass mich echt aus den Socken haut (RW), ist das folgende (Zitat Antje Schrupp):

Aber kann man die Sachen nicht wenigstens verständlicher formulieren? Ja, vielleicht, aber das ist ja schwer. Und wenn eine Idee wichtig ist, ziehe ich es vor, sie in einer kompliziert formulierten Fassung zu haben als sie gar nicht zu haben. Mag sein, dass manche Texte, die zirkulieren, zu „akademisch“ sind (was aber natürlich auch daran liegt, dass sie aus dem universitären Umfeld kommen, und die Desolatheit der Universitäten wäre noch mal ein ganz anders Thema). Aber ich glaube nicht, dass das der Grund für die Abwehr ist, die ihnen entgegen gebracht wird.

Ja, vielleicht, aber das ist ja schwer.“ Da hab ich echt keine Worte für. ANTI-DISKRIMINIERUNG IST IMMER SCHWER. Seit wann hält denn das irgendwen ab?! „Kein Blackface zu benutzen ist schwer.“ War das nicht mal ein Argument, dass nur „die anderen“ benutzen? Worum es hier geht, sind Prioritäten.

Schreibt halt: „Ich fühl‘ mich klüger mit Fremdwörtern.“ oder „Hab keinen Bock, mehr über Wörter nachzudenken, nur um Ausschluss zu vermeiden.“ oder meinetwegen auch: „Ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken soll.“ – is ja manchmal sogar berechtigt!
Was mich an dieser Diskussion aufregt, ist nicht an sich, dass die Texte schwer sind. Es sind die riesigen großen Lügen.
Ich kann damit leben, wenn ihr schreibt, dass eure Texte halt nur für Leute sind, die die Energie oder Ausbildung haben, sich durch Fremdwort-Wüsten zu schleppen. Dann liegen die Karten wenigstens auf dem Tisch (RW). Ich weiß, dass ich euch nicht lesen werde und alles ist klar. Stattdessen kommt diese unglaubliche Menge an lächerlichen und hahnebüchenen Ausreden. Dass nur Gegner*innen des Feminismus so etwas fordern. Dass man doch bitte mal nachweisen soll, dass man von Klassismus betroffen ist. Dass eh nur Akademiker*innen feministisch sind. Das ist echt ein toller Strauß, gebunden aus „Fuck yous“, den ihr da für alle zusammenstellt, die die Texte halt nicht ohne größeren Aufwand verstehen.
Ich weiß, dass es tatsächlich diese Leute gibt, die Feminismus scheiße finden. Ich weiß, dass die mit allem ablenken, dass ihnen einfällt. Ich weiß aber auch, dass auf „interne“ Kritik bis jetzt einfach – nicht – reagiert – wurde. Da wird der Verweis auf Antifeminist*innen zu einer vollkommen durschnittlichen Abwehrreaktion.

Bevor wir uns ganz verheddern, will ich noch einen Moment drauf eingehen, was für mich denn „schwierige Sprache“ ist.
Ich unterteile in „Fachwörter“ („Sexismus“, „People of Color“, die Sternchen, Unterstriche und Doppelpunkte in Wörtern), Fremdwörter und feministischen (?) Jargon [Sondersprache mit speziellem Wortschatz].

Fremdwörter versuche ich in meinen Texten seit Neuestem zu vermeiden. Meist lassen sich andere Wörter dafür finden oder eine andere Formulierung. Ja, seit ich das, was ich im verlinkten Text angekündigt habe, tue, brauche ich länger für meine Texte. Aber das ist es mir gerade wert.
„Fachwörter“ werde ich vorerst nicht ersetzen. Obwohl ich bei selteneren Begriffen wie „Intersektionalität“ trotzdem nachdenken werde, ob es nicht auch „Mehrfachdiskriminierung“ tut. Ich biete nach wie vor mein Glossar an, weil mir klar ist, dass man nicht alle dieser Wörter kennen kann.
Und dann gibt es den feministischen (?) Jargon, bei dem ich automatisch aus ’nem Text aussteige. Ich weiß nicht genau, aus welcher Ecke er kommt und inwiefern sich unersetzliche Begriffe darin finden, aber wenn ich „normativ“, „Diskurs“ oder „Positionierung“ lese, beginne ich den geordneten Rückzug.

Wie ich oben schon sagte, finde ich nicht einmal am schlimmsten, dass gewisse Wörter verwendet werden. Ich kann die Selbstverständlichkeit nicht ab, mit der sie genutzt werden. Ich kann nicht ab, dass den Kritisierten für keine Sekunde anzumerken ist, dass sie über die Hinweise nachdenken.
Wenn ich einer Person anmerke, dass sie sich Mühe gibt, sich leicht verständlich auszudrücken oder Schlagwörter zu erklären, zeigt das einfach mal Rücksicht. Selbst wenn der Text dann immer noch auf die ein oder andere Weise kompliziert ist, mache ich mir vielleicht die Mühe, etwas Zeit darauf zu verwenden. Denn die Person hat sich auch Zeit für mein Anliegen genommen.

Zum Abschluss ein letztes Zitat aus Schrupps Text:

Ich frage mich, wann es angefangen hat, fehlende Radikalität für etwas Positives zu halten? Jedenfalls bin ich der Meinung, dass jede politische Theorie, die sich nicht um größtmögliche Radikalität bemüht, also darum, wirklich an die Wurzeln eines Problems vorzudringen, anstatt nur an der Oberfläche ein paar Dinge hin und her zu rücken, nichts wert ist.

Ja, das frage ich mich auch. Ich frage mich, warum die im Feminismus beginnende Inklusion [das Miteinbeziehen] (die sich in Deutschland echt verflucht langsam vollzieht, wenn ihr mich fragt) an Klassengrenzen aufhört. Ich frage mich, warum sich Leute dafür entscheiden, die einen Frauen* mitzunehmen, aber die anderen links liegen zu lassen (RW). Und ich frage mich, wer sich dafür entscheidet, das als „radikalen“ Feminismus zu verstehen.

Nachtrag 23.10.2012:

In den Kommentaren kam auf, dass es schwer ist den Verlauf der ganzen Diskussion nachzuvollziehen. Daher nochmal in der richtigen zeitlichen Reihenfolge die vorhergehenden Artikel. Ein Teil der Diskussionen lief auch auf Twitter oder Facebook ab bzw. auch auf dem internen takeover.beta-Forum. Das kann ich leider nicht alles zusammenfassen.

…und hier bin ich.

Serien-Ver- oder Empfehlung: My Name Is Earl

Auch erschienen auf takeober.beta

Schlagwörter: My Name is Earl – Diskriminierung – Rassismus – Sexismus – Klassismus

My Name is Earl (MNIE) ist eine Comedy-Serie, die in den USA spielt, genauer in einem unwichtigen Ort namens Camden. Dort lebt Earl J. Hickey mit seinem kleinen Bruder Randy Hickey, Earls Ex Joy mit ihrem neuen Freund/Mann/was-weiß-ich Darnell und die Reinigungskraft/Stripperin Catalina.

An dieser Stelle sollte ich wahrscheinlich erwähnen, dass keine Lachkonserven verwendet werden, was mir bis zur Lektüre des Wikipedia-Artikels gar nicht aufgefallen war (warum auch). Und wo ich schon dabei bin eine zweite interessante Beobachtung: ich finde die deutsche Synchronisation gut. Ich weiß nicht, wie sie sich im Vergleich mit dem amerikanischen Original schlägt, aber die einzelnen Stimmen passen charakterlich zu den Schauspieler*innen.

Zur Story: Earl ist ein Kleinkrimineller, klaut viel und bringt Leute anderweitig um ihr Geld, bis er im Lotto gewinnt. Er wird allerdings prompt von einem Auto angefahren und verliert das Los, was ihn glauben lässt, das Karma wolle von ihm, dass er all seine schlechten Taten wieder richte. Als er seine erste Tat wieder gutmacht, fliegt ihm sein Los zu. Dies überzeugt ihn gänzlich. Mit Hilfe des Geldes macht er sich im weiteren Verlauf der Serie an die Wiedergutmachung der gesamten Liste von schlechten Taten.

Nun habe ich nur einen Teil der Folgen gesehen und die wiederum wild durcheinander. Ich hoffe, dass meine Annahme über ihre Reihenfolge korrekt ist, werde mich aber zur Orientierung teils auf die Handlung beziehen. Fest steht, dass ein Großteil der mir bekannten Folgen aus der dritten Staffel stammt.

Eine Vielzahl der Witze lebt davon, dass Joy, Randy und Earl der ungebildeten Bevölkerung angehören sollen. Also genauer von inhaltlich falschen Aussagen, falscher Benutzung von Begriffen etc. Dieses Konzept hat eine deutlich klassistische Komponente, wurde aber in den ersten Folgen, die ich gesehen habe, gut umgesetzt. Ich habe mich ausreichend mit den Protagonist*innen identifiziert, um nicht das Gefühl zu haben, über sie zu lachen. Ich schreibe „in den ersten Folgen“, weil es einen Moment gab, an dem dies zu kippen drohte.
Die Darstellung dieser Figuren als Angehörige der Unterschicht hat noch ein größeres Problem zur Folge: Randy und Earl fallen durch mehrheitsgesellschaftlich übliche heterosexistische Bemerkungen auf, Joy wird zudem als stark rassistisch charakterisiert. Auch Cis-Sexismus und Ableismus kommen vor. Bei entsprechenden Aussagen, besonders bei Joy zu bemerken, fehlt der Serie das Gegengewicht. Es gibt bei solchen Szenen durch die Handlung selbst keinen Hinweis an die Zuschauer*innen, dass die Aussagen schlicht nicht in Ordnung sind. Bzw. ist man dazu genötigt, entweder über die (rass)-istische Aussage zu lachen, also selbst Kompliz*in zu werden, oder sitzt in hilflosem Schweigen da. Vor allem dieser Fuck-up verleidet mir die Serie.

Dies ist aber leider nicht mein einziger Kritikpunkt. Der Bechdel-Test wird zwar bestanden, aber manchmal gewinnt man den Eindruck, dass dies nur durch Konversationen geschieht, in denen sich Catalina und Joy darüber streiten, wer besser aussieht. Hmpf. Diese Konversationen stellen dann ihre Beziehung zueinander auch gut dar: sie sind die einzigen Frauen*, die konsequent in der Serie auftauchen und sie können sich nicht leiden … weil sie ihr Aussehen miteinander vergleichen. Wow. Das macht auch deswegen besonders wenig Sinn, weil es sonst zwischen Randy, Earl, Joy, Catalina und Darnell keine besonderen Feindschaften gibt. Nur die beiden Frauen…

Diiiie Rolle von People of Color: Catalina und Darnell haben definitiv eine Persönlichkeit, bei Catalina ist sie allerdings schon ein bisschen dünn. Sie bekommt wenig Hintergrundstory, die ihre eigenen Beweggründe und Wünsche ernsthaft darstellt. Häufiger dient die Story als Grundlage für eine Pointe. Die meisten Witze, die mit ihr zu tun haben, stellen Mexiko als vollkommenes Armenhaus dar (zugegeben, der Großteil der Handlung von MNIE spielt in einem Trailerpark also steht dem weniger eine Darstellung des „American Dream“-Amerikas gegenüber), beruhen darauf, dass sie rassistisch beleidigt wird oder gar auf sexueller Belästigung – die zum Glück „nur“ einmal verharmlost wird, in den anderen Fällen wird sie innerhalb der Serie adressiert und kritisiert. Abgesehen davon natürlich, dass ausgerechnet sie auch als Stripperin arbeitet, nicht etwa die weiße Joy.

Und das bringt mich zur Erklärung, warum ich die letzten Folgen, die ich gesehen habe, weniger mochte.
Ich weiß nicht, was der Grund ist – ob die Produzent*innen gewechselt haben oder ihnen einfach die Witze ausgegangen sind – aber in den letzten Folgen, werden vermehrt Practical Jokes benutzt, also Witze, die auf der körperlichen Beschaffenheit von Figuren beruhten. Konkreter gibt es eine Latina mit grotesk großem Hintern (Fatsuit-mäßig ausgestopft), die sich als Politesse wiederholt zwischen sehr eng beieinander parkenden Autos durchquetschen muss und Dharma (okay, die Schauspielerin von Dharma in Dharma und Greg), die eine Kratzwunde im Gesicht und ein davon verletztes Auge hatte, das ebenfalls wiederholt Gegenstand von Witzen ist. All diese Witze waren nicht nur extrem flach und unlustig, sondern mitunter auch stark sexistisch bzw. ableistisch. Urg.
Und wo wir bei Sexismus sind? Eine von den Charmed-Hexen (ich erkenne Schauspieler*innen nur an früheren Rollen, it’s a fact) hat als „Billy“ in einigen Folgen einen Auftritt. Der ganze Plot ist furchtbar furchtbar furchtbar. Entweder ist sie zuckersüß und die Superfrau oder sie ist die ganze Zeit gereizt und die Furchtbare Ehefrau™. So weit ich mich erinnere bekommt sie auch keine logische oder stimmige Charakterentwicklung. Ja, ihr Charakter ändert sich, aber immer von jetzt auf gleich, damit Earl den Eindruck bekommen kann, dass das Karma will, dass er weiter an seiner Liste arbeitet.

Was Frauenrollen angeht, hat die Serie also noch einiges zu lernen. Und andere von Diskriminierung negativ Betroffene werden sich vielleicht die ständigen Witze, die irgendwie zur Charakterisierung von Angehörigen der Unterschicht dienen sollen, auch nicht ununterbrochen anhören wollen. Alles in Allem sehr schade, weil ich den Humor – vom Genannten abgesehen – mag und auch die Charaktere.

Links 30

Schlagwörter: Rassismus – antimuslimischer Rassismus – Klassismus – Reclaiming – sexualisierte Gewalt – Transsexualität – Kino – Musik – Beschneidung – Hipster-Racism – Oktoberfest

Warum Armut und die Aneignung des Wortes „Sl**“ nicht zusammengehen
via @kiturak [Deutsch]

Leben mit täglichem antimuslimischem Rassismus
[Deutsch]

Warum Leuten folgen, über die man sich dann aufregt?
[Englisch]

Wer verschwiegen wird – Muslim*a in Deutschland
[Deutsch]

Ein Leben vor und nach der Beschneidung
via @khaos.kind [Deutsch]

Trigger Warnung (Thema: sexuelle Übergriffe)
Alternative pro-Konsens-Poster fürs Oktoberfest
via @fasel [Deutsch]

Rezension zu Tomboy. Ganz meine Meinung.
@lantzschi via @transleben [Deutsch]

Weil ich das Gefühl habe, dass das viele nochmal lesen müssten, habe ich einen älteren Artikel ausgegraben.
Rassismus in Florence and the Machine-Videos
[Englisch]

Und edit:
Paula über Kommentare, die eine*n so ‚runterziehen können, dass man gar nicht mehr bloggen mag
[Deutsch]

Warum Noten an der Uni ein Hohn sind

Auch erschienen auf takeover.beta

Schlagwörter: unsere Gesellschaft – Universität – Studium – Noten – Klassismus – Ableismus – Diskriminierung

Dieses Thema lässt sich auf vielfältige Weise in jede Richtung ausdehnen (Vielleicht sind Noten an der Schule auch scheiße? Diskriminierung gibt’s nicht nur an der Uni! Das trifft auch aufs Arbeitsleben zu, usw.), ich beschränke mich aber auf dieses, denn irgendwo muss ich anfangen.

Noten reflektieren deine Fähigkeit auf bestimmte Art von Prüfungsfragen zu einer bestimmten Uhrzeit auf eine bestimmte Art zu antworten, nachdem du dich in einem festgesetzten Zeitraum mit einer bestimmten Art von Ressourcen (von der Uni, dem Schicksal und der Gesellschaft im Allgemeinen bestimmt) auf die Prüfung vorbereitet hast.

Dabei soll bereits Schüler*innen nahegebracht werden, dass ihr Wert als Mensch an ihren Notenschnitt geknüpft ist. Und noch mehr: dass es tatsächlich eine realistische Repräsentation ihres Wissens und Könnens in einem bestimmten Fachgebiet darstellt. Back to uni.

Den Noten ist es egal, ob du dich aufgrund deiner Wohnsituation mit dem verbundenen Zeitaufwand ganz alleine um den Abwasch, einkaufen, saubermachen, Sachen stopfen, die Wäsche, das Treppenhaus, den Rasen oder Hof kümmern musst, ob du die Aufgaben teilst, sie gar nicht oder für mehrere Personen mit erledigst.

Den Noten ist es egal, ob du einen Rückzugsraum hast, der es dir ermöglicht, in Ruhe für die Uni zu arbeiten.

Den Noten ist es egal, ob du dir eine teure Wohnung in annehmbarer Distanz zur Uni leisten kannst oder mehrere Stunden mit Bus und Bahn pendelst. Ob du ein Auto hast oder deine Energie in den öffentlichen Verkehrsmitteln täglich dadurch gefressen wird, dass du introvertiert bist, Angststörungen hast, Geräusch- oder lichtempfindlich bist oder regelmäßig von Diskriminierung betroffen und deswegen Angst davor hast, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen und völlig geschafft in der Uni/zu Hause ankommst und zu keiner geistigen Arbeit mehr fähig bist.

Den Noten ist es egal, ob du dich um Freund*innen, Kinder, Eltern oder andere Menschen kümmerst. Ob du Zeit brauchst, sie durch den Tag zu begleiten, um mit Angst um sie oder eure gemeinsame Zukunft klarzukommen.

Den Noten ist es egal, ob du gar nicht vorkommst im gesellschaftlichen Verständnis deines Studiengangs. Ob du dich nicht wiederfindest in den Karrierepostern, auf denen weiße, (anscheinend) physiotypische junge Männer abgebildet sind. Ob du täglich mit den Botschaften zu kämpfen hast, dass Leute wie du das Thema eh nicht verstehen, langsam sind, alles falsch machen. Ob du persönlicher Diskriminierung durch Kommiliton*innen oder Professor*innen ausgesetzt bist.

Den Noten ist es egal, wo dein Geld herkommt. Ob du neben der Universität mehrere Stunden arbeiten musst, obwohl das Studium auf 40 Uni-Arbeitsstunden die Woche ausgelegt ist. Oder ob das Geld halt einfach da ist. Ob du Bafög beziehen kannst. Ob du Bafög zurückzahlen kannst, weil du tatsächlich eine Zukunft siehst. Ob du dich mit einem Bankdarlehen verschulden musst. Ob du überhaupt arbeitsfähig bist.

Den Noten ist es egal, ob deine körperliche Verfassung und dein finanzieller Haushalt es zulassen, alle Studienmaterialen zu erlangen, zu konsumieren und nach Notwendigkeit zu verändern und Arbeiten abzugeben. Ob du überhaupt einen Computer und Internet hast. Ob du zu einer Bibliothek gelangen und ihr Angebot nutzen kannst.

Den Noten ist es egal, wie viel Zeit du dafür aufbringen musst den Campus zu navigieren, weil du maximal zu einem zwangzigstel mitgedacht wurdest.

Den Noten ist es egal, ob du mit der Art wie die Informationen präsentiert werden, umgehen kannst. Ob dies deinem Lerntyp entspricht oder ihm völlig reingrätscht. Ob du mehr Praxis brauchst aber nur Theorie kriegst. Ob du mehr Theorie brauchst, aber nur Praxis kriegst. Ob du mehr Zeit brauchst, um alles zu verarbeiten, weil dein Tag nur 24 h hat.

Den Noten ist es egal, ob du den organisatorischen Anforderungen gewachsen bist. Ob du Hilfsangebote findest und sie dir zugänglich sind. Ob du Anträge drucken und sie inhaltlich verstehen kannst, um rechtzeitig alles auszufüllen.

Den Noten ist es egal, ob deine innere Uhr schon auf „wach“ steht, wenn die Prüfung stattfindet. Ob du Prüfungsangst hast. Ob du mit der*m Prüfer*in befreundet bist oder Angst vor sim hast. Ob du die Materialien besitzt, die für die Prüfung zugelassen und notwendig sind. Ob du die Wahl hast auf „Fühlen Sie sich gesundheitlich in der Lage an dieser Prüfung teilzunehmen?“ Nein zu antworten.

Den Noten ist all das und noch viel mehr völlig egal. Aber wenn man genau hinschaut, wird klar, inwiefern sie deinen Wert in dieser Gesellschaft repräsentieren sollen.

[Editiert für Klarheit und um Link einzufügen. 02.10.2012 Zweisatz]

King Kong Theory – Virginie Despentes

Auch erschienen auf takeover.beta

Schlagwörter: Prostitution – Pornografie – Feminismus – Patriarchat – Klassismus – Kapitalismus – feministische Literatur

Kommentatorin* Ada hatte zu meinem Wünsch dir was-Artikel kommentiert, ob ich nicht etwas zu Virginie Despentes, etwa ihrem Buch King Kong Theory schreiben wöllte. Also habe ich es mir ausgeliehen und allerhand Notizen gemacht. Wegen selbiger Notizen wird dieser Artikel auch eher eine längliche Zusammenfassung als eine richtige Rezension.
Dabei muss ich erwähnen, dass Despentes relativ provokativ-verallgemeinernd schreibt. Das hat zur Folge, dass die Lektüre interessanter ist, als bei einem trocken gehaltetenen Buch, aber auch, dass ich sie teils wörtlicher genommen habe, als Aussagen zu verstehen waren und das erst in späteren Kapiteln bemerkt habe. Auch hat sie ihre Gedanken absatzweise gesammelt. Das heißt, es gibt zwar mehrere große Kapitel, nach deren Überschrift sie die Themen wählt, aber innerhalb des Kapitels spricht sie je über einen Teilaspekt und geht dann relativ assoziativ zum nächsten. Dadurch kommt es zu den thematischen Sprüngen innerhalb nur weniger Seiten. Aber lest selbst.
Ich zähle die Seiten runter, auf denen ich gerade bin. Trigger Warnung ab Seite 33 bis Seite 43.
Von mir zusammengefasste Aussagen der Autorin (keine Zitate!) sind kursiv.

S.18 Despentes erscheint stark, unabhängig und in ihrer Meinung gefestigt und betont trotzdem stark, dass sie nicht schön/begehrenswert für Männer* ist. Verwirrung.

S.19 Stark femininer Look soll als Entschuldigung dienen fürs Intelligent- und Unabhängig-Sein? Ahem. Unabhängigkeit der Frau* wird als bedrohlich wahrgenommen? Okay, da gehe ich mit.
Dann würde ich die erste Aussage allerdings so umformulieren, dass von Frauen* erwartet wird, sich feminin zu kleiden, „wenn man sie schon ernst nehmen soll“ – also von ihnen erwartet wird, nicht aus ihrer zugewiesenen Rolle zu fallen.

Hier wird schon ein großes Problem des Buches deutlich. Es gibt Männer und es gibt Frauen. Ende. (Absichtlich kein Stern.) Homosexualität ist bis zu einem gewissen Grad mitgedacht, denke ich, aber Menschen, die sich außerhalb der Geschlechterdualität verorten … gar nicht. Und trotz nicht völliger Ignoranz gegenüber Homosexualität geht es eigentlich ausschließlich um das Spannungsfeld zwischen Männern* und Frauen*.

S. 20

Pretending that men and women got on better before the 1970s is a historical lie. We just saw less of each other.

S.21 Haushalt und Kinderaufzucht wurden in den 1970ern nicht revolutioniert.

S.22 Von Müttern wird verlangt, dass sie auf magische Weise alles über Kindererziehung wissen. Der alles überwachende Staat ist nur eine Erweiterung davon und hält Menschen in einer infantilen Phase o.ô (ich hänge mich hier offensichtlich etwas an der Formulierung auf). Dies wird verbunden mit einer Kapitalismus-Kritik, die besagt dass Konsument*innen machtlos und gehorsam gehalten werden sollen. (S. 23)

S.24 Thema: inzwischen werden Männer* und Frauen* in den Krieg geschickt:

The real polarisation is along class lines.

Der väterliche Blick kann seiner Tochter klar machen, dass sie außerhalb des sexuellen Marktplatzes existiert. Hell to the fucking no. Why? Whut?
Despentes ist hier äußerst in männlichen und weiblichen Rollenbilder verhaftet, vor allem im Glauben, dass ein Geschlecht automatisch ein bestimmtes Rollenbild vermittelt. Die heterosexuelle Kernfamilie (Mutter, Vater, Kind) wird nicht in Frage gestellt. (Alle sind cis und binär.)
Class scheint sie einen höheren Stellenwert als Race beizumessen.

S.25 Männer* müssen ihre Femininität und Frauen* ihre Maskulinität unterdrücken.
Despentes hat also auch die männliche Perspektive im Blick.

S.26 Der Kapitalismus will uns alle infantilisieren („Staat als Mutter*“), so dass Männer* genau so gefangen sind, wie Frauen* es bereits sind.
Diese ganze Sprache von Menschen, die im Kapitalismus wie Kinder bleiben sollen ist ugh. Hätte mich wahrscheinlich weniger gestört, wenn klarer ausgelegt worden wäre, in welch krasser Abhängigkeit derzeit Kinder gehalten werden. (Statt das allgemeine Verständnis vorauszusetzen, dass Kinder nicht für sich selbst sorgen können.)

TRIGGER WARNUNG

S.33 Sie spricht davon, wie sie nicht das Wort „V.“ benutzt hat, weil Menschen dann anfangen, dich zu kontrollieren (d.h. Victim Blaming zu betreiben) und Bilder des „typischen“ Opfers heraufbeschworen werden.

S.35 Sie begreift/schreibt wie sie V. als Risiko das Haus zu verlassen begriff (die V. abzuwerten hilft ihr, ihre V. als etwas managebares zu begreifen.)
Ist leider Bullshit. Sicher, das Haus zu verlassen bedeutet als Frau* automatisch mit Street Harassment rechnen zu müssen, leider blendet diese Darstellung aber sexualisierte Gewalt in den engsten Beziehungen, die man hat, aus. Die laut Statistik sehr häufig sind. Mit anderen Worten: häusliche Gewalt/Missbrauch in intimen Beziehungen ist definitiv kein zentrales Thema dieses Buches.

S.40 Sie wünschte, es gebe ein Anti-V.-Kondom. Da wir in einer traurigen Welt leben, gibt es das inzwischen.

Ich hätte mir gewünscht, dass Despentes noch ein wenig mehr auf die gesellschaftliche Ebene geht. Sie verfolgt einen Stil, der sich meist wie folgt liest: „Männer* denken dies, Männer* machen das.“ Das ist sehr polemisch gehalten und macht es manchmal schwer zu unterscheiden, ob sie gesellschaftliche Tendenzen verdeutlichen will oder die Aussage wörtlich meint.

S.41 Mein O-Ton: Weird shit on why women who have been r***d are good hookers :/ „Men like the scent.“
„R***¹ is about power.“
Na ja, V. ist halt auch eine Gesellschaft, die keine Ahnung hat, was Consent ist (später geht sie noch etwas darauf ein).

S.42 „R***¹ is the exclusive male domain“. Wrong. Ja, sehr stark in die Richtung neigend, aber halt nicht richtig. Testosteron schaltet nicht das Urteilsvermögen aus. Korrekt.

S.43 Frauen sind mehrheitlich masochistisch, damit sie mit der Machtverteilung besser klarkommen, aber es hält uns fern von Macht. *starkes räuspern*

S.48 Thema: Prostitution. Der Ehevertrag und der „Prostitutionsvertrag“ stehen in Verbindung miteinanader.

S.54 Frauen* werden durch Prostitution gebrandmarkt, ein Freier zu sein ist normal, marginalisiert nicht.

S.63 Geld (für Sex) bringt Unabhängigkeit und lieber Hure als in einer Ehe sein für Geld. Eine mächtige Frau* ist beunruhigend, weil sie, nicht wie eine schöne Frau*, kein Verfallsdatum hat.

S.65

The prostitution transaction – „I pay you, you satisfy me“ – is the basis of the heterosexual contract. It is hypocritical to pretend, as we do, that this transaction is foreign to our culture.

Die Verbannung und Regulierung von Prostitution schafft unsichere Arbeitsbedingungen, begünstigt Missbrauch. Medial werden die Ärmsten, Eingeschleppten ausgeschlachtet, um die Diskussion zu beeinflussen.

S.69

Masculine sexuality is not in itself an act of violence against women, as long as they are consenting and well paid.

S.72 Thema: Pornographie. Wait „men“? Frauen* schauen keine Pornographie? Ah doch, später neutral.

S.74 Leute lehnen Pornographie ab, weil sie unmittelbar vermittelt, was die eigenen Turn-ons sind, ohne dass man das Gehirn zwischenschalten kann.

S.75 Wir erwarten von Pornos „echt“ zu sein, während niemand diesen Anspruch an Film stellt.

S.78 Pornodarstellerinnen wird verunmöglicht, sich in irgendeinem anderen Zusammenhang zu äußern oder zu verwirklichen. Unabhängigkeit durch Geld und weiblich sein: böse.

S.80 Verbot von Pornofilmen in den frz. Kinos, weil sie zu erfolgreich war. Lust darf spielerisch nur von den Reichen ausgeübt werden. Zu viel Erleben von Lust könnte Arbeiter*innen vom Arbeiten abhalten.

S.82 Mein O-Ton: Weirde Theorie, dass Männer* Porno-Darstellerinnen so anziehend finden, weil sie sich wie Männer* im Frauen*körper verhalten: immer Sex wollend. Und dass „realer“ Sex dies nicht hergibt … aber welcher Mann* will so viel Sex?!

Weiblicher Orgasmus als Performance-Zwang: vom male gaze beansprucht, d.h. 1) Frauen* müssen kommen, sind sonst frigide. 2) Der Orgasmus soll von einem Mann* verursacht werden, nicht Masturbation. (Homosexualität, anyone?)

S.84 Über Frauen*, die Masturbation „langweilig“ bis unnötig finden und sich einen Mann* wünschen, der sie zum Orgasmus bringt:

What relationship can you have with yourself if you systematically hand your genitals over to someone else?

S.95

For a man, not loving women is an attitude. For a woman, not loving men is pathological.

Sonderbare oppression olympics zwischen „Frauen* unterdrückt durch Männer*“ und was „Weiße über Schwarze“ sagen.

S.97 Victim blaming.

S.98

The thing is that those of us at the top are those of us who have become the allies of the powerful. […] The women most able to accept masculine domination are obviously those given the jobs because it is still men who admit or exclude women.

Femininer Style als generelles Zeichen der Unterwerfung. Ahm.

Thema: Was Femininität für unsere Kultur bedeutet.

S.113 Es gibt keine großen neuen Entdeckungen/Werke über das Männliche, immer die gleiche Show.

Alles in Allem kann ich nicht viel dazu sagen, wie ich das Buch fand, weil es für mich sehr unnatürlich ist, Notizen beim Lesen zu machen und es mich massiv ablenkt. Einige der obigen Zitate bzw. generelle Punkte im Buch finde ich sehr bedenkenswert. Wie ich schon schrieb: die plakative Schreibweise macht es einerseits interessanter zu lesen, andererseits wird nicht immer ganz klar, ob es nur Übertreibung ist oder der feste Standpunkt der Autorin.
Ich hoffe, dass die Zusammenfassung dennoch hilfreich ist.
[Edit]Und wichtig zum Schluss: für das Buch selbst muss ich eine Trigger-Warnung aussprechen, da sie, wie sich wahrscheinlich erahnen lässt, über eigene Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt schreibt.

1 Von mir verfremdet, im Original ausgeschrieben.[/Edit]

Mein Eigentum, dein Eigentum, kein Eigentum

Schlagwörter: Urheber*innen-Recht – Kapitalismus – Pirat*innen – Klassismus – warum zur Hölle habe ich das getan

Ich habe mich (begrenzt) umgelesen, weil mir in letzter Zeit wiederholt die Bösigkeit von geistigem Eigetum (als Begriff oder Sache kam nicht ganz heraus. In einem Pirat*innenwiki-Artikel wird es nur als Begriff gegeißelt.) ins Gedächtnis gerufen wurde.
Andreas Popp erklärt auf jeden Fall, warum es kein geistiges Eigentum gibt. Denn you see, nicht-anfassbares Gut (immaterielles) kann man ohne Schaden am ersten Werk kopieren, Autos jedoch nicht. Er schafft es fast eine anti-kapitalistische Kritik anzubringen („Wieso haben wir in unserer Gesellschaft überhaupt ein Eigentum?“), aber dann kehrt er wieder zu Autos zurück. Die man ja (nicht) ohne Schaden verfielfachen kann. Oder so. Am Ende ist er so gütig einzuräumen, dass Urheber (sic) aber schon irgendwie voll wichtig für unsere Kultur sind, aber so recht kann er keine Konsequenzen formulieren, wie man eben diesen nun das Künstlerisch-Sein ermöglichen soll.

Warum habe ich mir diesen Text angetan? Nun, weil ich wissen wollte, ob ich etwas Sinnvolles verpasse. Antwort: nope. Und nun kommt meine Kritik an der Kritik am geistigen Eigentum.

1) Ich finde es völlig irrelevant wie man die Idee nennt, dass ein*e Urheber*in darüber verfügen können sollte, was si:er geschaffen hat. Nennt es wie ihr wollt. Sprecht es sim halt ab, wenn ihr es nicht mögt.

2) Die Ablehnung der Idee von geistigem Eigentum richtet sich größtenteils gegen Rechtverwerter*innen, wie Verlage, die Musik- oder Filmindustrie. Kann ich verstehen. Die finde ich auch scheiße. Aber aus einem anderem Grund. Nämlich dem, das die Künstler*innen oft unfair entlohnt werden. Und natürlich die unproportionalen Strafen, die mitunter wegen illegaler Downloads verhängt werden.

3) Problem: Ich sehe in dieser Kritik am geistigen Eigentum eigentlich nur, wie Künstler*innen unter die Räder der Kritik an Rechteverwerter*innen kommen.

Das ist nämlich so: Wir leben im Kapitalismus und müssen, je nachdem, wie unser Support-Netzwerk aussieht, wo wir wohnen, welche Verpflichtungen wir haben und allen voran, inwiefern wir privilegiert sind, unterschiedlich viel Geld irgendwoher kriegen, um zu überleben. Wenn man nicht völlig in den Wald auswandert (was in Deutschland natürlich auch illegal wäre), gilt das für so ziemlich alle.
Dies wird durch so genannten „Jobs“ bewerkstelligt. Oder durch Geld vom Staat, für dessen Bezug man dann offensichtlich beschimpft und als weniger als ein menschliches Wesen wahrgenommen werden darf.
Auf jeden Fall stellen Leute im Zuge ihrer „Jobs“ verschiedene Dinge zur Verfügung: Ideen, Bildung, Pläne, Essen, Anfassbares und Unanfassbares also. Und dann gibt es die ganz Verwegenen, die tatsächlich nur Dinge schaffen wollen, die nicht nur unanfassbar sind, sondern sogar beliebig kopierbar. Z.B. digitale Texte, Bilder, Filme. Laut Pirat*innen-Logik des verlinkten Textes oben geht beim Verfielfältigen selbiger gar nichts verloren, verlustfreies Kopieren halt. Das ist jedoch leider Bullshit.
Was beim beliebigen Verfielfältigen verloren geht, ist eine monetäre (in Form von Geld) Anerkennung für die Leistung, die dahinter steckt. Warum braucht es die? Weil wir im Kapitalismus leben.
Dieses „wir schätzen Urheber*innen total. Die sind wichtig für eine Gesellschaft“ ist halt inhaltsloses Geschwätz, wenn man meint, Kopierbares muss kostenlos kopierbar sein, einfach weil es geht. Natürlich geht es. Es zeigt aber auch völlige Ignoranz gegenüber den Urheber*innen. Ja, wenn wir nicht alle von Geld abhängig wären, könnten Künstler*innen sich tatsächlich einfach daran erfreuen, wie viele Menschen ihre Werke reposten, liken, erwähnen und mit Liebe überhäufen. Aber Newsflash: heutzutage braucht man Geld zum Leben. Wenn du das System scheiße findest, kein Ding, kannst du gerne kritisieren. Aber es ist ein beschissener Zug aus deiner Kritik am Kapitalismus abzuleiten, dass zufällig gewählte Menschen (Künstler*innen) es nicht verdienen, für ihre Arbeit entlohnt zu werden, weil man ihre Arbeit einfacher stehlen kann als die körperliche Arbeit einer*s Gärtner*in*s. Ja, wenn wir nicht im Kapitalismus Leben würden, wäre es auch kein „stehlen“, denn man nähme ihnen ja nichts weg. Aber deeeerzeit tut man es nun einmal.

Ich schreibe Texte. Ich mache Musik. Ich zeichne. Und ich wage es zu verlangen, dass mir die Möglichkeit gelassen wird mit meinen Werken Geld zu verdienen, so lange ich Geld verdienen muss, um leben zu können.

Uh, uh, ich hab‘ noch einen! Könnt ihr euch vorstellen, wer es sich im Besonderen leisten kann, Werke kostenlos anzubieten? Maximal Privilegierte. Die haben nämlich die höchste Wahrscheinlichkeit, eine Bildung erhalten und damit einen Job erlangt zu haben, der es ihnen erlaubt, aus Spaß kreativ zu sein. Nicht fürs Essen. Wenn du monatlich über 2000€ verdienst ist es plötzlich keine so große Wohltat mehr, deine Werke frei ins Internet zu stellen.

Auch erschienen auf takeover.beta

Dein Hobby ist auch nur ein Hobby

Schlagwörter: Sexismus – Ageismus – Computer – Nerds

[Bildbeschreibung: Ein Mädchen* mit Hornbrille und langen dunklen Haaren hält eine Hand hoch, auf der „Nerd“ steht. Überschrift: Hasn’t read all 900 issues of batman. Bildunterschrift: neither have you. Ende der Bildbeschreibung]
nerd girl meme, title: hasn't read 900 issues of batman – neither have you

Meine Suppe¹, Twitter und auch Artikel des feministischen Dunstkreises (ich sage nur femgeeks.de) erwecken mitunter den Eindruck, dass Feminismus und Begeisterung für Computer miteinander einhergehen.
Durch diese Kommunikationskanäle habe ich jedenfalls schon einige Reaktionen auf Nichtwissen kennengelernt. Nichtwissen im Bereich Computer und Technik. – Ich erinnere mich da nur an einen Screenshot auf Soup, der eine Facebook-Umfrage zeigte, in der Facebook und Chromium gleichermaßen als Browser bezeichnet wurden. Ja, ich habe gelacht, denn ich fand den Post witzig-absurd, ich habe es aber nicht reposted.

Besonders Menschen, die sich gerne und viel mit Technik beschäftigen, können oft nur amüsiert den Kopf schütteln, wenn Eltern das Internet-Explorer-Icon vom Desktop löschen, weil sie ein Internet-Verbot durchsetzen wollen oder Großeltern sich beschweren, dass keine Mails ankommen – während keine Internet-Verbindung besteht.
Ich fühle mich dabei jedoch unwohl. Wie bereits gesagt, ich kann mir oft ein Lachen selbst nicht verkneifen oder bin verzweifelt, weil manche Hilfsgesuche älterer Menschen einfach keinen Sinn machen, aber ich bin dennoch der Meinung, dass ein Herabblicken auf Menschen, die eben wenig bis nichts mit Technik zu tun haben, nicht in Ordnung ist und versuche mich entsprechend im Zaum zu halten. Ich sehe nicht, wo der Unterschied liegt zu „Oh, du weißt nicht, wer aktuell Präsident in Frankreich ist? Wohl mangelnde Bildung.“ oder „Ich bin schockiert, dass du die Epoche der Romantik so falsch einordnest.“ Mit anderen Worten geht die Thematik für mich zurück zu meinem Artikel über Intelligenz. Wissen auf einem Themengebiet – das nicht zufälligerweise stark männlich assoziiert wird (und wenn man in entsprechende Ausbildungsstätten schaut auch weitergetragen wird) – wird als besonders wichtig eingestuft und Ahnungslosigkeit auf dem Gebiet ungläubig belächelt.
Ich bin aber der Meinung, dass Leute sich so wenig mit Computern und technischen Geräten auseinandersetzen dürfen, wie sie wollen. Sie dürfen Fragen stellen wie: „Ist der Computer aus, wenn ich auf den Knopf hier am Bildschirm drücke?“ und erwarten, dafür nicht belächelt zu werden. Lernen muss freiwillig sein und sollte Spaß machen. Dass ich inzwischen komische Fragen auf höherem Niveau stelle („Kann ich mit GIMP nicht einfach per Hand malen?“) ist kein Freifahrtschein grundlegende Fragen als lächerlich abzutun und auf die Fragesteller*innen herabzublicken. Ich habe gut Reden, denn was ich auf spielerische Weise intuitiv lerne, müssten andere stur pauken, weil es einfach nicht ihr Interessengebiet ist.

Was hier natürlich noch fehlt, ist die Analyse, wer da wen belächelt. Ich stelle mal die gewagte These auf, dass Mädchen*, Frauen* und älteren Menschen, die Fehler machen (also den natürlichen Prozess des Lernens nachvollziehen) kritischer betrachtet werden. Abwegig wirkende Fragen werden dann schnell als Zeichen für generelle Unfähigkeit gedeutet – kennt man ja von dieser Demografik nicht anders – und dienen als Anlass, ihren Lernprozess als einen Fehlschlag anzusehen.
Es ist unvermeidlich, dass solche Stereotype am Selbstbild der Betroffenen nagen und zu Teilen unbewusst übernommen werden. Eine selbsterfüllende Prophezeiung nimmt ihren Lauf. Die Mädchen*, die sich in den Programmier-Kurs trauen², verlieren viel schneller das Vertrauen in ihre Fähigkeiten, weil alle Bescheid zu wissen scheinen. Jungen* hingegen lernen problemlösungsorientiert zu denken und blühen auf, wenn sie knobeln müssen³. All das zeigt sich in der Wirkung des stereotype threat: wenn Frauen* an „ihre Rolle“ erinnert werden, bevor sie naturwissenschaftliche Aufgaben angehen, sinkt ihre Leistung.
Mit anderen Worten: da wir eine eindeutige Meinung dazu haben, welches Wissen wichtig ist und welche Personen nicht geeignet sind, sich dieses Wissen anzueignen und es zu vergrößern, kreieren wir ein feindliches Umfeld. Wir kreieren ein Umfeld, in dem bestimmte Menschen dem Druck ausgesetzt sind richtig zu „performen“, um unter Beweis zu stellen, dass sie ernst zu nehmen sind – ungleich ihren Geschlechts-/Altersgenoss*innen.

Was ich mir also Wünsche ist ein positiverer und unterstützender Umgang mit dem Lernprozess einer*s jeden. Das heißt sicherlich nicht, dass es verboten ist, Fehler zu korrigieren. Jedoch sollte das auf respektvolle und anspornende Weise geschehen. Und ich wünsche mir auch, dass Menschen grundlegende Fragen zugestanden werden, die für Computer-Veteran*innen schon klar waren, als der Zeugungsakt vollzogen war. Zuletzt wünsche ich mir, dass Menschen zugestanden wird, an einem Thema nicht interessiert zu sein. Das bedeutet keineswegs, dass man unentgeltliche Computerreparatur-Taskforce spielen muss. Es bedeutet, dass man nicht die Nase rümpft, weil eine*r „falsche Interessen“ hat und deswegen nie mehr als die Grundlagen zur Bedienung eines Computers beherrschen wird.
Ich sehe nicht ein, dass Wissenslücken als Charakterfehler behandelt werden können und Menschen der Lächerlichkeit preisgeben. Das sagt wie immer am meisten über die aus, die (klassistischen, ableistischen, sexistischen, rassistischen, ageistischen) Spott verbreiten.

1 Soup.io fühlt sich an wie eine Art europäischer Tumblr mit Lade-Schwierigkeiten und einer gesunden Portion Posts, die man ohne Polnisch-Kenntnisse nicht versteht.
2 via @hanhaiwen
3 Der Artikel blendet gesellschaftliche Mechanismen viel zu sehr aus, weswegen ich einiges daran auszusetzen habe. Ich verlinke nur wegen des unterschiedlichen Lernverhaltens.