Links 34

Schlagwörter: Kapitalismus – Abtreibung – Sexismus – sexualisierte Gewalt – Rassismus – Polizeigewalt – Sexarbeit – Essstörung – white men’s tears – Armut – Griechenland

Heute ist DER TAG DER LINKSAMMLUNGEN! Wird auch Zeit, einiges hiervon staubt schon ewig vor sich hin (RW=Redewendung).

„Afrika für Norwegen“ war schon lustig … oder nicht?
via @Samiaalthar [Englisch]

„Miete eine Gebärmutter“
von @antiprodukt via @baum_glueck [Deutsch]

V. ist kein [Englisch]
Verständnisproblem [Englisch]
(nach der Trigger-Warnung im Text kommen üble Zitate!)

„Von Körperlichkeiten, Selbshass und Eigenliebe.“ Thema: Essstörungen
via @Chwesta [Deutsch]

EU ignoriert das Menschenrecht auf Trinkwasser und beginnt die lokalen Netze zu privatisieren, bei den Ärmsten zuerst
von @JottEs via @KapuzenAuf [Deutsch]

Die Oury Jalloh-Initiative bittet um Spenden, um ein unabhängiges Brandgutachten zu finanzieren. Die Devise lautet 700 mal 50€, aber Beträge jeder Größe sind willkommen.
[Deutsch]

Ein ungeschönter Armutsbericht
[Deutsch]

„Griechenland sagt: Danke Deutschland“
von @ennomane @planetinspace via @KapuzeNews [Deutsch]

Auch in Europa werden zunehmend Mädchen abgetrieben
von @kegelklub via @maedchenblog [Deutsch]

Amerika erkennt, wer in der heutigen Zeit die wahren Opfer sind: Weiße Männer*
von @whattamisaid via @hanhaiwen [Englisch]

Der Unterschied zwischen Street Harassment und einem Kunden, der fragt wie viel eine Sexarbeiterin* verlangt – Wie geht sexarbeits-positiver Feminismus? [Englisch]

Und in der neu eingeführten „Ich gebe mir Mühe, nicht nur Depri-Zeug zu verlinken“-Rubrik:

Eine sehr lustige Review eines sehr schlechten Buches. (Vorsicht, Lesestoff für mehrere Monate garantiert.)
[Englisch]

King Kong Theory – Virginie Despentes

Auch erschienen auf takeover.beta

Schlagwörter: Prostitution – Pornografie – Feminismus – Patriarchat – Klassismus – Kapitalismus – feministische Literatur

Kommentatorin* Ada hatte zu meinem Wünsch dir was-Artikel kommentiert, ob ich nicht etwas zu Virginie Despentes, etwa ihrem Buch King Kong Theory schreiben wöllte. Also habe ich es mir ausgeliehen und allerhand Notizen gemacht. Wegen selbiger Notizen wird dieser Artikel auch eher eine längliche Zusammenfassung als eine richtige Rezension.
Dabei muss ich erwähnen, dass Despentes relativ provokativ-verallgemeinernd schreibt. Das hat zur Folge, dass die Lektüre interessanter ist, als bei einem trocken gehaltetenen Buch, aber auch, dass ich sie teils wörtlicher genommen habe, als Aussagen zu verstehen waren und das erst in späteren Kapiteln bemerkt habe. Auch hat sie ihre Gedanken absatzweise gesammelt. Das heißt, es gibt zwar mehrere große Kapitel, nach deren Überschrift sie die Themen wählt, aber innerhalb des Kapitels spricht sie je über einen Teilaspekt und geht dann relativ assoziativ zum nächsten. Dadurch kommt es zu den thematischen Sprüngen innerhalb nur weniger Seiten. Aber lest selbst.
Ich zähle die Seiten runter, auf denen ich gerade bin. Trigger Warnung ab Seite 33 bis Seite 43.
Von mir zusammengefasste Aussagen der Autorin (keine Zitate!) sind kursiv.

S.18 Despentes erscheint stark, unabhängig und in ihrer Meinung gefestigt und betont trotzdem stark, dass sie nicht schön/begehrenswert für Männer* ist. Verwirrung.

S.19 Stark femininer Look soll als Entschuldigung dienen fürs Intelligent- und Unabhängig-Sein? Ahem. Unabhängigkeit der Frau* wird als bedrohlich wahrgenommen? Okay, da gehe ich mit.
Dann würde ich die erste Aussage allerdings so umformulieren, dass von Frauen* erwartet wird, sich feminin zu kleiden, „wenn man sie schon ernst nehmen soll“ – also von ihnen erwartet wird, nicht aus ihrer zugewiesenen Rolle zu fallen.

Hier wird schon ein großes Problem des Buches deutlich. Es gibt Männer und es gibt Frauen. Ende. (Absichtlich kein Stern.) Homosexualität ist bis zu einem gewissen Grad mitgedacht, denke ich, aber Menschen, die sich außerhalb der Geschlechterdualität verorten … gar nicht. Und trotz nicht völliger Ignoranz gegenüber Homosexualität geht es eigentlich ausschließlich um das Spannungsfeld zwischen Männern* und Frauen*.

S. 20

Pretending that men and women got on better before the 1970s is a historical lie. We just saw less of each other.

S.21 Haushalt und Kinderaufzucht wurden in den 1970ern nicht revolutioniert.

S.22 Von Müttern wird verlangt, dass sie auf magische Weise alles über Kindererziehung wissen. Der alles überwachende Staat ist nur eine Erweiterung davon und hält Menschen in einer infantilen Phase o.ô (ich hänge mich hier offensichtlich etwas an der Formulierung auf). Dies wird verbunden mit einer Kapitalismus-Kritik, die besagt dass Konsument*innen machtlos und gehorsam gehalten werden sollen. (S. 23)

S.24 Thema: inzwischen werden Männer* und Frauen* in den Krieg geschickt:

The real polarisation is along class lines.

Der väterliche Blick kann seiner Tochter klar machen, dass sie außerhalb des sexuellen Marktplatzes existiert. Hell to the fucking no. Why? Whut?
Despentes ist hier äußerst in männlichen und weiblichen Rollenbilder verhaftet, vor allem im Glauben, dass ein Geschlecht automatisch ein bestimmtes Rollenbild vermittelt. Die heterosexuelle Kernfamilie (Mutter, Vater, Kind) wird nicht in Frage gestellt. (Alle sind cis und binär.)
Class scheint sie einen höheren Stellenwert als Race beizumessen.

S.25 Männer* müssen ihre Femininität und Frauen* ihre Maskulinität unterdrücken.
Despentes hat also auch die männliche Perspektive im Blick.

S.26 Der Kapitalismus will uns alle infantilisieren („Staat als Mutter*“), so dass Männer* genau so gefangen sind, wie Frauen* es bereits sind.
Diese ganze Sprache von Menschen, die im Kapitalismus wie Kinder bleiben sollen ist ugh. Hätte mich wahrscheinlich weniger gestört, wenn klarer ausgelegt worden wäre, in welch krasser Abhängigkeit derzeit Kinder gehalten werden. (Statt das allgemeine Verständnis vorauszusetzen, dass Kinder nicht für sich selbst sorgen können.)

TRIGGER WARNUNG

S.33 Sie spricht davon, wie sie nicht das Wort „V.“ benutzt hat, weil Menschen dann anfangen, dich zu kontrollieren (d.h. Victim Blaming zu betreiben) und Bilder des „typischen“ Opfers heraufbeschworen werden.

S.35 Sie begreift/schreibt wie sie V. als Risiko das Haus zu verlassen begriff (die V. abzuwerten hilft ihr, ihre V. als etwas managebares zu begreifen.)
Ist leider Bullshit. Sicher, das Haus zu verlassen bedeutet als Frau* automatisch mit Street Harassment rechnen zu müssen, leider blendet diese Darstellung aber sexualisierte Gewalt in den engsten Beziehungen, die man hat, aus. Die laut Statistik sehr häufig sind. Mit anderen Worten: häusliche Gewalt/Missbrauch in intimen Beziehungen ist definitiv kein zentrales Thema dieses Buches.

S.40 Sie wünschte, es gebe ein Anti-V.-Kondom. Da wir in einer traurigen Welt leben, gibt es das inzwischen.

Ich hätte mir gewünscht, dass Despentes noch ein wenig mehr auf die gesellschaftliche Ebene geht. Sie verfolgt einen Stil, der sich meist wie folgt liest: „Männer* denken dies, Männer* machen das.“ Das ist sehr polemisch gehalten und macht es manchmal schwer zu unterscheiden, ob sie gesellschaftliche Tendenzen verdeutlichen will oder die Aussage wörtlich meint.

S.41 Mein O-Ton: Weird shit on why women who have been r***d are good hookers :/ „Men like the scent.“
„R***¹ is about power.“
Na ja, V. ist halt auch eine Gesellschaft, die keine Ahnung hat, was Consent ist (später geht sie noch etwas darauf ein).

S.42 „R***¹ is the exclusive male domain“. Wrong. Ja, sehr stark in die Richtung neigend, aber halt nicht richtig. Testosteron schaltet nicht das Urteilsvermögen aus. Korrekt.

S.43 Frauen sind mehrheitlich masochistisch, damit sie mit der Machtverteilung besser klarkommen, aber es hält uns fern von Macht. *starkes räuspern*

S.48 Thema: Prostitution. Der Ehevertrag und der „Prostitutionsvertrag“ stehen in Verbindung miteinanader.

S.54 Frauen* werden durch Prostitution gebrandmarkt, ein Freier zu sein ist normal, marginalisiert nicht.

S.63 Geld (für Sex) bringt Unabhängigkeit und lieber Hure als in einer Ehe sein für Geld. Eine mächtige Frau* ist beunruhigend, weil sie, nicht wie eine schöne Frau*, kein Verfallsdatum hat.

S.65

The prostitution transaction – „I pay you, you satisfy me“ – is the basis of the heterosexual contract. It is hypocritical to pretend, as we do, that this transaction is foreign to our culture.

Die Verbannung und Regulierung von Prostitution schafft unsichere Arbeitsbedingungen, begünstigt Missbrauch. Medial werden die Ärmsten, Eingeschleppten ausgeschlachtet, um die Diskussion zu beeinflussen.

S.69

Masculine sexuality is not in itself an act of violence against women, as long as they are consenting and well paid.

S.72 Thema: Pornographie. Wait „men“? Frauen* schauen keine Pornographie? Ah doch, später neutral.

S.74 Leute lehnen Pornographie ab, weil sie unmittelbar vermittelt, was die eigenen Turn-ons sind, ohne dass man das Gehirn zwischenschalten kann.

S.75 Wir erwarten von Pornos „echt“ zu sein, während niemand diesen Anspruch an Film stellt.

S.78 Pornodarstellerinnen wird verunmöglicht, sich in irgendeinem anderen Zusammenhang zu äußern oder zu verwirklichen. Unabhängigkeit durch Geld und weiblich sein: böse.

S.80 Verbot von Pornofilmen in den frz. Kinos, weil sie zu erfolgreich war. Lust darf spielerisch nur von den Reichen ausgeübt werden. Zu viel Erleben von Lust könnte Arbeiter*innen vom Arbeiten abhalten.

S.82 Mein O-Ton: Weirde Theorie, dass Männer* Porno-Darstellerinnen so anziehend finden, weil sie sich wie Männer* im Frauen*körper verhalten: immer Sex wollend. Und dass „realer“ Sex dies nicht hergibt … aber welcher Mann* will so viel Sex?!

Weiblicher Orgasmus als Performance-Zwang: vom male gaze beansprucht, d.h. 1) Frauen* müssen kommen, sind sonst frigide. 2) Der Orgasmus soll von einem Mann* verursacht werden, nicht Masturbation. (Homosexualität, anyone?)

S.84 Über Frauen*, die Masturbation „langweilig“ bis unnötig finden und sich einen Mann* wünschen, der sie zum Orgasmus bringt:

What relationship can you have with yourself if you systematically hand your genitals over to someone else?

S.95

For a man, not loving women is an attitude. For a woman, not loving men is pathological.

Sonderbare oppression olympics zwischen „Frauen* unterdrückt durch Männer*“ und was „Weiße über Schwarze“ sagen.

S.97 Victim blaming.

S.98

The thing is that those of us at the top are those of us who have become the allies of the powerful. […] The women most able to accept masculine domination are obviously those given the jobs because it is still men who admit or exclude women.

Femininer Style als generelles Zeichen der Unterwerfung. Ahm.

Thema: Was Femininität für unsere Kultur bedeutet.

S.113 Es gibt keine großen neuen Entdeckungen/Werke über das Männliche, immer die gleiche Show.

Alles in Allem kann ich nicht viel dazu sagen, wie ich das Buch fand, weil es für mich sehr unnatürlich ist, Notizen beim Lesen zu machen und es mich massiv ablenkt. Einige der obigen Zitate bzw. generelle Punkte im Buch finde ich sehr bedenkenswert. Wie ich schon schrieb: die plakative Schreibweise macht es einerseits interessanter zu lesen, andererseits wird nicht immer ganz klar, ob es nur Übertreibung ist oder der feste Standpunkt der Autorin.
Ich hoffe, dass die Zusammenfassung dennoch hilfreich ist.
[Edit]Und wichtig zum Schluss: für das Buch selbst muss ich eine Trigger-Warnung aussprechen, da sie, wie sich wahrscheinlich erahnen lässt, über eigene Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt schreibt.

1 Von mir verfremdet, im Original ausgeschrieben.[/Edit]

Mein Eigentum, dein Eigentum, kein Eigentum

Schlagwörter: Urheber*innen-Recht – Kapitalismus – Pirat*innen – Klassismus – warum zur Hölle habe ich das getan

Ich habe mich (begrenzt) umgelesen, weil mir in letzter Zeit wiederholt die Bösigkeit von geistigem Eigetum (als Begriff oder Sache kam nicht ganz heraus. In einem Pirat*innenwiki-Artikel wird es nur als Begriff gegeißelt.) ins Gedächtnis gerufen wurde.
Andreas Popp erklärt auf jeden Fall, warum es kein geistiges Eigentum gibt. Denn you see, nicht-anfassbares Gut (immaterielles) kann man ohne Schaden am ersten Werk kopieren, Autos jedoch nicht. Er schafft es fast eine anti-kapitalistische Kritik anzubringen („Wieso haben wir in unserer Gesellschaft überhaupt ein Eigentum?“), aber dann kehrt er wieder zu Autos zurück. Die man ja (nicht) ohne Schaden verfielfachen kann. Oder so. Am Ende ist er so gütig einzuräumen, dass Urheber (sic) aber schon irgendwie voll wichtig für unsere Kultur sind, aber so recht kann er keine Konsequenzen formulieren, wie man eben diesen nun das Künstlerisch-Sein ermöglichen soll.

Warum habe ich mir diesen Text angetan? Nun, weil ich wissen wollte, ob ich etwas Sinnvolles verpasse. Antwort: nope. Und nun kommt meine Kritik an der Kritik am geistigen Eigentum.

1) Ich finde es völlig irrelevant wie man die Idee nennt, dass ein*e Urheber*in darüber verfügen können sollte, was si:er geschaffen hat. Nennt es wie ihr wollt. Sprecht es sim halt ab, wenn ihr es nicht mögt.

2) Die Ablehnung der Idee von geistigem Eigentum richtet sich größtenteils gegen Rechtverwerter*innen, wie Verlage, die Musik- oder Filmindustrie. Kann ich verstehen. Die finde ich auch scheiße. Aber aus einem anderem Grund. Nämlich dem, das die Künstler*innen oft unfair entlohnt werden. Und natürlich die unproportionalen Strafen, die mitunter wegen illegaler Downloads verhängt werden.

3) Problem: Ich sehe in dieser Kritik am geistigen Eigentum eigentlich nur, wie Künstler*innen unter die Räder der Kritik an Rechteverwerter*innen kommen.

Das ist nämlich so: Wir leben im Kapitalismus und müssen, je nachdem, wie unser Support-Netzwerk aussieht, wo wir wohnen, welche Verpflichtungen wir haben und allen voran, inwiefern wir privilegiert sind, unterschiedlich viel Geld irgendwoher kriegen, um zu überleben. Wenn man nicht völlig in den Wald auswandert (was in Deutschland natürlich auch illegal wäre), gilt das für so ziemlich alle.
Dies wird durch so genannten „Jobs“ bewerkstelligt. Oder durch Geld vom Staat, für dessen Bezug man dann offensichtlich beschimpft und als weniger als ein menschliches Wesen wahrgenommen werden darf.
Auf jeden Fall stellen Leute im Zuge ihrer „Jobs“ verschiedene Dinge zur Verfügung: Ideen, Bildung, Pläne, Essen, Anfassbares und Unanfassbares also. Und dann gibt es die ganz Verwegenen, die tatsächlich nur Dinge schaffen wollen, die nicht nur unanfassbar sind, sondern sogar beliebig kopierbar. Z.B. digitale Texte, Bilder, Filme. Laut Pirat*innen-Logik des verlinkten Textes oben geht beim Verfielfältigen selbiger gar nichts verloren, verlustfreies Kopieren halt. Das ist jedoch leider Bullshit.
Was beim beliebigen Verfielfältigen verloren geht, ist eine monetäre (in Form von Geld) Anerkennung für die Leistung, die dahinter steckt. Warum braucht es die? Weil wir im Kapitalismus leben.
Dieses „wir schätzen Urheber*innen total. Die sind wichtig für eine Gesellschaft“ ist halt inhaltsloses Geschwätz, wenn man meint, Kopierbares muss kostenlos kopierbar sein, einfach weil es geht. Natürlich geht es. Es zeigt aber auch völlige Ignoranz gegenüber den Urheber*innen. Ja, wenn wir nicht alle von Geld abhängig wären, könnten Künstler*innen sich tatsächlich einfach daran erfreuen, wie viele Menschen ihre Werke reposten, liken, erwähnen und mit Liebe überhäufen. Aber Newsflash: heutzutage braucht man Geld zum Leben. Wenn du das System scheiße findest, kein Ding, kannst du gerne kritisieren. Aber es ist ein beschissener Zug aus deiner Kritik am Kapitalismus abzuleiten, dass zufällig gewählte Menschen (Künstler*innen) es nicht verdienen, für ihre Arbeit entlohnt zu werden, weil man ihre Arbeit einfacher stehlen kann als die körperliche Arbeit einer*s Gärtner*in*s. Ja, wenn wir nicht im Kapitalismus Leben würden, wäre es auch kein „stehlen“, denn man nähme ihnen ja nichts weg. Aber deeeerzeit tut man es nun einmal.

Ich schreibe Texte. Ich mache Musik. Ich zeichne. Und ich wage es zu verlangen, dass mir die Möglichkeit gelassen wird mit meinen Werken Geld zu verdienen, so lange ich Geld verdienen muss, um leben zu können.

Uh, uh, ich hab‘ noch einen! Könnt ihr euch vorstellen, wer es sich im Besonderen leisten kann, Werke kostenlos anzubieten? Maximal Privilegierte. Die haben nämlich die höchste Wahrscheinlichkeit, eine Bildung erhalten und damit einen Job erlangt zu haben, der es ihnen erlaubt, aus Spaß kreativ zu sein. Nicht fürs Essen. Wenn du monatlich über 2000€ verdienst ist es plötzlich keine so große Wohltat mehr, deine Werke frei ins Internet zu stellen.

Auch erschienen auf takeover.beta

Über das Unreif-Sein, Kapitalismus und Gedankensalat

Schlagwörter: Adultismus – Kapitalismus – Ableismus – Gedankensalat

Genauso wie „kindisch sein“, „werd‘ endlich erwachsen“ oder „du verhältst dich wie ein*e Vierjährige*r“ ist der Vorwurf unreif zu sein ein adultistischer. Kindern wird die vielgepriesene Rationalität abgesprochen, sie werden als überemotional dargestellt. Das geht mir auf die Nerven (RW)¹. Es dient, wie bei vielen anderen Formen der Diskriminierung dazu, die Gegenposition als irrelevant darzustellen und somit von der Hand zu weisen (RW). Es erkennt einer Gruppe unserer Gesellschaft die Menschlichkeit ab.
Und wie es sonst auch der Fall ist, wird eine künstliche Unterscheidung aufgemacht, die es Privilegierten verbietet, bestimmte Eigenschaften an den Tag zu legen (RW). (Vorsicht, ab hier wird es etwas „What about teh adults“)
Dadurch, dass bestimmte Eigenschaften Kindern zugeschrieben werden, erhalten sie eine negative Bedeutung und können – wie im Eingangsabsatz gesehen – dazu dienen, „Erwachsene“ zur Ordnung zu rufen. In dieser Ordnung ist das Hören auf eigene Bedürfnisse und Gefühle, impulsives Handeln und starke Ablehnung bestimmter Dinge, ohne sich zu erklären, nicht gerne gesehen.

Da ich schon einen verwirrenden Beitrag schreibe, der ab hier nicht besser wird, eine kleine Nebenbemerkung zur Ablehnung von Dingen: Unsere Gesellschaft ist scheiße im Akzeptieren von unterschiedlichen Bedürfnissen. U.a. begründet im Kapitalismus und sich sehr deutlich zeigend im Ableismus.
Wenn Anpassungen für Minderheiten vorgenommen werden, warten alle auf ihre Medaille, weil wir einfach so daran gewöhnt sind, dass das Persönliche nicht zählt. Dass es egal ist, wer woraufhin Kopfschmerzen oder Unwohlsein oder Desorientierung empfindet. Das Zugänglich-Machen von Medien für jedes Sinnesorgan, wird als vernachlässigbar und Sache der*s Einzelnen gesehen. Öffentliche Räume so zu gestalten, dass sich tatsächlich alle darin bewegen können, ist uns auch zu viel Stress. (Momentan kann sich uneingeschränkt ohnehin nur eine sehr kleine Gruppe unserer Gesellschaft bewegen, aber daran sind wir ja gewöhnt.) Wenn also Anpassungen vorgenommen werden, wird das nicht etwa als selbstverständliches Zeichen von Empathie gesehen, sondern einen riesen Aufwand, der bitte auch belohnt werden soll.
Wegen all dem also war ich letztens überrascht, als ich bei einer Übernachtung davon sprach, unter welchen Umständen ich schlecht schlafe und darauf ohne Hinterfragen oder Witze mit den entsprechenden Anpassungen reagiert wurde. Eigentlich sollte das immer so sein, aber dadurch ist mir bewusst geworden, wie wenig individuelle Bedürfnisse, selbst in meinem Freund*innenkreis, mitunter respektiert werden.

Und hier kommt mein Bogen zum Kapitalismus. Sowohl die Unterscheidung zwischen Kindern und Erwachsenen, als auch die Ablehnung des Individuellen leistet dem Kapitalismus einen großen Dienst und befeuert diverse -ismen.
Einerseits wird es als das höchste Gut gepriesen, auf eigenen Beinen zu stehen (RW) – üblicherweise eine Forderung, die an Erwachsene herangetragen wird. Wer, vor allem finanziell, von anderen abhängig ist, hat es Nicht Geschafft™, ungeachtet jeglicher Umstände. Entsolidarisierung ist völlig erwünscht, geplant und wird aktiv betrieben. Solidarität wird nur gefördert, wenn sie finanzielle Vorteile mit sich bringt (essentielle, aber ehrenamtliche Arbeit, hallo), Anerkennung wird sich selten finden. Natürlich auch, weil es sich bei ehrenamtlicher Arbeit meist um Pflege- und „emotionale“ Tätigkeiten handelt, die eine menschliche Gemeinschaft überhaupt erst zusammenhalten, aber „nichts bringen“, sich also nicht zum Geldmachen eignen.
Individualität zu akzeptieren, respektieren und zu fördern, ist natürlich ebenso „nutzlos“. Man denke an all die Mehrausgaben, die man leisten müsste, wenn Bildung, Kleidung und der Mensch an sich nicht mehr mit Massenabfertigung in Verbindung gebracht würden [\Sarkasmus]. Wenn wir uns erzählen, alle Menschen seien gleich (hätten also die gleichen Voraussetzungen im Leben und würden sich eine definierte Menge an „normalem“ Verhalten teilen), lassen sich so ziemlich alle Unterdrückungsmechanismen viel einfacher betreiben.

Ich weiß nicht, worauf ich hiermit hinaus will, vieles davon wurde schon gesagt. Vielleicht: ein*e jede*r hat das Recht darauf, dass sire ganz individuellen Probleme Beachtung finden.

Crossposted auf takeover.beta

1 RW = Redewendung

Links 23

Schlagwörter: Sexismus – Autismus – USA – Rechtsstaat – Prostitution – Kapitalismus – Menschenhandel

Scott Adams, der Dilbert-Erfinder, ist immer noch ein gruseliger Arsch [Englisch]

Supreme Court entscheidet: Leibesvisitation unabhängig vom Delikt coole Sache [Englisch]

Zugriff auf Facebook-Profil beim Bewerbungsgespräch verlangt [Englisch]

„Stille Hände“ als Tortur [Englisch]

USA will Botschafter Immunität aberkennen, wenn er ein gegen ihn verübtes Verbrechen anzeigt[Englisch]

Weil Frauen*, die auf Männer* stehen, sexuell gerne zufrieden stellen – auch als zahlende Kundinnen [Englisch]

Der gnadenlose Job in einem Zulieferer für ein großes Online-Kaufhaus [Englisch]

Sehr lesenswerte Diskussion zum Zusammenhang von Prostitution und Menschenhandel, Kommentare zu beachten

Links 18

[leichte Trigger Warnung] Kampagne, die Täter statt Opfer anspricht, führt zu merklichem Rückgang der Sexualdelikte [Englisch] (Leider durch Seitenbetreiber*innen unzugänglich gemacht, 08.03.2012)

Periodenblut in der Öffentlichkeit? Leute kriegen Panik [Englisch]

Geschichte der Heterosexualität [Englisch]

Keine Toleranz für Genitalverstümmelung von Intersexuellen

Kapitalismus ist ein Arsch [Englisch]

„Dubiose Praktiken einer Öko-Kosmetikkette“ (zu beachten: älterer Artikel)

Ein kurzes klärendes Gespräch mit der US-amerikanischen Atheist*innen-Community [Englisch]

Warum „Es liegt in den Genen“ meist kein sinnvolles Argument ist [Englisch]

Pocher suhlt sich im „Tabubruch“ während er „mutig“ die Mehrheitsmeinung wiedergibt via @kuebra

Über queere Frauen*, die eine heterosexuelle Beziehung eingehen [Englisch]