[TW] You can stop r***: Schritt 4 – Warum seid ihr Freunde?

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Wie für die ganze Serie gilt eine Trigger-Warnung.

Schlagwörter: r**e culture – Grenzüberschreitung – street harassment – allies – you can stop r**e

fluffy bunny in front of a grass
Quelle: Emergency Cute von playboy-seobaby

Es gibt eine US-amerikanische Studie, die besagt, dass auf einen Vergewaltiger¹ im Schnitt 6 Betroffene kommen.
Das ist eine ganz schön hohe Zahl. In einer Welt, in der Vergewaltigungen tatsächlich als das Verbrechen behandelt und verfolgt werden, dass sie sind, sollte das unmöglich sein. Ich möchte hier nicht völlig sarkastisch werden, aber: Überraschung! Ist es bei uns nicht!

Einer der Gründe, warum Vergewaltiger offensichtlich lange genug frei herumlaufen können, um mehrere Menschen zu vergewaltigen, ist, dass unsere Gesellschaft sie lässt. In vielen Staaten wacht man gerade erst auf und denkt: ‚Oh, sexuelle Belästigung auf der Straße sollte vielleicht mal strafrechtlich verfolgt werden.‘ Deutschland gehört nicht dazu.

Sexuelle Belästigung ist jedoch der Vorläufer von weiteren Grenzüberschreitungen und muss deswegen entsprechend behandelt werden. Und hier kommst du ins Spiel:

Es darf in deinem Freund*innen- und Bekanntenkreis keine Person geben, die ohne Konsequenzen anderer Leute Grenzen verletzt.

Nicht „nur wenn er betrunken ist“. Nicht „er verteilt halt gerne ungefragt Massagen. Hört ja auch auf, wenn man es ihm sagt“. Nicht „er weiß halt nicht wie man flirtet und steht deswegen zu nah oder versucht es zu lang“. Nicht „sexuelle Bemerkungen gehören einfach dazu, auch wenn die Angesprochene unangenehm berührt ist“.
Für die, die bereits protestieren „Aber, aber – ich weiß doch nicht, wie ich vermeiden soll, anderer Leute Grenzen zu überschreiten“, werfe ich diesen Artikel hier ein und lege, für die, die mit Körpersprache nicht viel anfangen können, diesen Kommentar drauf.

Grenzüberschreitendes Verhalten hält nicht nur an, weil es Menschen gibt, die Grenzen überschreiten. Es hält an, weil eben diese Menschen keine Sanktionen zu erwarten haben. Wenn ich nach dem zweiten sexuellen Kommentar auf Arbeit gefeuert werden kann, wenn ich fürs „Netter Hintern“-Hinterherrufen auf der Straße ’ne saftige Geldstrafe zahlen muss, wenn die Anwesenden auf einer Party mir geschlossen die Tür zeigen, wenn ich eine Frau* beim Tanzen bedrängt habe, werde ich es mir überlegen.
Ich werde es mir nicht überlegen, wenn alle Bekannten beschämt oder desinteressiert wegsehen statt der Frau* zu helfen, auf die ich’s abgesehen habe. Ich werde es mir nicht überlegen, wenn ich weiß, dass eine Tiefenanalyse ihrer Klamotten, ihres Trinkverhaltens und allgemein ihrer Glaubwürdigkeit aufgrund ihres Charakters, ihrer sexuellen Vorlieben und ihres Beziehungsstatusses erfolgen wird, wenn sie mir eine Grenzüberschreitung vorwerfen sollte. Stattdessen mache ich eine formvollendete Verbeugung und bedanke mich fürs Entgegenkommen meiner Bekannten.

Also merke: Menschen, die Grenzen verletzen, sind nicht deine Freunde. Oder du bist mitschuld.
Ich wüsste nicht, wie ich den Ernst der Lage besser ausdrücken kann, als mit den folgenden Links.

Für die folgenden beiden: in dem Kommentaren sind auch Schilderungen von Überlebenden! Weder in den Artikeln noch den Kommentaren sind verlässliche Trigger-Warnungen gepostet, also Vorsicht.
Zwei Beispiele eines Freundeskreises, der grenzüberschreitendes Verhalten möglich macht, sexuelle Belästigung entschuldigt und die betroffenen Frauen* nicht unterstützt.
Wenn sich wirklich wer die Frage stellen sollte: „Kann ich mit einem Vergewaltiger befreundet sein.“ Lies die Antwort. Lies die Kommentare.

Zu diesem Themenbereich gibt es zu viele gute Artikel. Ich lege sie euch alle ans Herz.
Cliff erklärt auf Pervocracy wie es einen Damm brechen kann, wenn man es wagt auszusprechen, was man gerade gesehen hat. Schweigen schützt die Täter*innen.

Thomas erläutert auf Yes Means Yes anhand verschiedener Studien, wie Sexualstraftäter vorgehen und was das für unser Vorgehen bedeuten sollte. (Be warned, depressing statements)

Hier die detaillierte Auswertung von Ich habe nicht angezeigt.

Und als relativ aktuelles und deutliches Beispiel, wie Täter sich in unserer Gesellschaft verteidigen können, selbst wenn alle Karten schon auf dem Tisch liegen: accalmie auf Stop! Talking. über den Fall Assange.

Edit: Und thematisch hunder prozentig passend fugitivus dazu, fast alle Freund*innen an den Vergewaltiger zu verlieren.

1 Ich benutze aufgrund der Statistiken gegenderte Sprache. Wer darauf hinweisen möchte, „Frauen* vergewaltigen auch“, der*m sage ich: ja, generisches Maskulinum.

13 Gedanken zu “[TW] You can stop r***: Schritt 4 – Warum seid ihr Freunde?

  1. [Trigger-Warnung sexuelle Belästigung, Verharmlosung von sexualisierter Gewalt Edit Zweisatz 01.09.2012]

    Ich wollte nicht, dass meine Kollegin die mir ab und zu auf den Hintern tatscht deswegen Probleme an der Arbeit bekommt oder gar deswegen gefeuert wird. Objektiv mag es eine Belästigung sein, ich sehe es aber nicht als solche. Das muss jeder und jede selbst entscheiden.

    Das heisst nicht! das ich es Frauen abspreche dieses Verhalten zur Sprache zu bringen wenn sie belästigt werden und sich auch belästigt fühlen.

    Ich würde als Chef auch sofort eine Abmahnung an den Kollegen schreiben und ihm klarmachen das wenn es nochmal vorkommt er fliegt wenn die Kostellation Mann belästig Frau ist.

    Andersherum weiss ich dagegen nicht ob ich so konsequent wäre.

    Ich kann verstehen wenn Frauen da „empflindlicher“ sind bzw. es eher als Bedrohung ansehen als ein Mann. Auch sex. gewalthaltige Sprüche.

    Denn Vergewaltigungen von Frauen an erwachsenen Männer sind doch eher eine Ausnahme, was nicht heisst das ich diese verharmlosen will
    .

    Für Männer sind sexistische Bemerkungen von Frauen maximal ein Ärgerniss, für Frauen allerdings sind gewaltverherrlichende Bemerkungen von Männern Bedrohungen. Zumindest könnten sie es sein und sie sind ernst zu nehmen.

    Das sehe ich als Mann ein.

    1. [Trigger-Warnung sexualisierte Gewalt, Grenzüberschreitungen]

      Während ich grob zustimme, möchte ich darauf hinweisen, dass von Frauen* ausgeübte (sexualisierte) Gewalt gegen Männer* nicht okayer wird durch die fehlende Machtkomponente (nebenbei können andere Formen von Macht im Spiel sein: Vorgesetzte – Angestellter oder Mutter – Kind).
      Du hast Recht, dass nicht die gleiche Art von gesellschaftlicher Objektifizierung hinter der Aussage steht, wenn Frauen* Männern* was Anzügliches zurufen oder sie unaufgefordert berühren. Aber nicht okay bleibt nicht okay. Wenn kein Consent/Zustimmung existiert, ist das ein Grenzüberschreitung.
      Ich habe den Eindruck, dass es betroffenen Männern* besonders durch die Mär vom „dominanten“ Mann* und der „schwachen“ Frau* verunmöglicht wird, sexualisierte Gewalt anzusprechen und angemessene Reaktionen zu erhalten – das wiederum haben Überlebende sexualisierter Gewalt aller Geschlechter gemein.

      Ich verwehre mich gegen das Konzept Sexismus gegen Männer*, weil dort die Machtkomponente fehlt. (Siehe Glossar -> Sexismus)

      Den gesamten Diskussionsstrang möchte ich aber nicht weiter ausweiten.

      1. [Rest gelöscht weil Doppelung mit Inhalt eines anderen Kommentars. Zweisatz]

        btw-wenn ich so drüber nachdenke habe ich auch schon 3 sitruationen erlebt die wohl rape waren-also non consent und auch icht angenehm aber ich fand es immer seltsam dass ich das gefühl hatte dass mich das kaum getroffen hat vor allem so im nachhinein-im ggs zu meinem Partner eben der ja extreme auswirkungen hatte und noch hat.ich hab mich gefragt woran das liegen mag und inwiefern sich wahrnehmung von sowas je nach person wandelt-

        und ich denke:stark. ist sicher gefährlich weil viele leute denken dass ihre wahrnehmung absolut ist. (ich denke, jede frau die an meiner stelle gewesen wäre und den kerl angezeigt hätte hätte meine vollste unterstützung. nur ICH fand s für mich irgendwie seltsam unschlimm. also bzw schon scheiße aber nicht weniger scheiße als das mobbing in der schulzeit oder migräne. (das passt gut-man hat keine kontrolel über sich und will vor allem ruhe und sich nicht bewegen. aber ich bin ich.)
        naja, ist n schwieriges thjema irgendwie.

  2. Trigger Warnung sexualisierte Gewalt [Editiert und verfremdet von Zweisatz am 12.09.2012]

    Ich bin Ve****alt***ngsopfer und habe angezeigt. Dem Täter ist nichts passiert.

    Was die meisten nicht wissen ist, dass viele Formen von Vergewaltigungen in Deutschland (und auch anderswo) gar nicht strafbar sind!

    Und da ich den Vergewaltiger kenne (Berufskollege) und ich zwangsläufig so tun muss, als ob alles OK wäre (er wurde ja nicht verurteilt), werde ich einerseits als Mittäterin beschimpft („wenn Du den Kontakt zu ihm nicht abbrichst, unterstützst Du damit den Täter“) und andererseits als Falschbeschuldigerin („Du hast angezeigt obwohl da nichts war, um ihm zu schaden“).

    Ich finde das nicht fair, dass von Opfern erwartet wird, dass sie die Täter von weiteren Taten abhalten („sonst bist Du für seine weitere Taten mitschuldig!“), die Opfer aber dabei keine Unterstützung bekommen („Frauen lügen ja gerne“).

    1. Bitte entschuldige, falls ich dich mit einer meiner Formulierungen verletzt habe. Dir ist überhaupt nichts vorzuwerfen.
      Es ist völlig verständlich, dass du keine Möglichkeit hast, ihn in dieser Situation in irgendeiner Weise zu sanktionieren (das Arbeitsumfeld zwingt dich ja in eine Situation, wo du eben nicht nach Gutdünken wählen kannst, mit wem du Kontakt hast). Davon abgesehen ist das Sanktionieren aber überhaupt nicht deine Pflicht, sondern die deines Arbeitsumfeldes und deiner Freund*innen. Es sollte ganz alleine deine Entscheidung sein, wie du mit der Situation umgehst.
      Weder ist es deine Verantwortung, was er anderen Menschen antut oder jemals angetan hat – das ist seine – noch kann man davon sprechen, dass du ihn unterstützen würdest. – Selbst wenn du dich entschieden hättest, ihn nicht anzuzeigen, wärst du nicht an seinem Verhalten anderen gegenüber Schuld.
      Es tut mir Leid, dass du auf diese Weise gezwungen bist, regelmäßig mit ihm Kontakt zu haben. Ich hoffe, du hast Unterstützung.

      1. Danke für die Antwort. Es ist eben nicht einfach.

        Du sagst, dass ich nicht schuld bin, wenn er weiter macht.

        Was würdest Du sagen über andere Opfer desselben Täters, die nicht angezeigt haben? Was würdest Du sagen zu anderen Kolleginnen und Kollegen desselben Täters, die von anderen Opfern wussten und nichts gesagt haben? Wenn alle Leute, die wußten, was der Täter so treibt, ausgesagt hätte, hätte er vielleicht verurteilt werden können.

        Aber auch die anderen Opfer und auch die Mitwisser hatten Angst vor ihrer eigenen Karriere und sie wollen nicht, dass sie deswegen in die Presse kommen usw.

        Und weil sie nicht als „Mitwisser = Mittäter“ gelten wollen, taten sie so, als ob sie nichts wußten oder ihnen nichts passiert wären. Oder sie sagten, dass das ja gar nicht so schlimm gewesen wäre.

        Und ja, als ich über meine Erfahrung gesprochen habe, haben mir einige Leute im Vertrauen gesagt, dass sie früher auch mal missbraucht worden wären und zwar von Herrn X oder Y…. Ich kenne diese Herren X und Y persönlich vom Beruf her. Aber Handhabe habe ich da nichts. Und wir tun alle so, als ob da nichts gewesen wäre, obwohl alle Bescheid wissen.

        Also, ich finde es normal, dass man auch mal einen Vergewaltiger im Freundes- oder Bekanntenkreis hat. Auch wenn das provokativ klingt.

        Ob es den Opfern hilft, diese Mitwisser pauschal als mitschuldig anzuprangern?

      2. Das mi
        t dem Angst um die eigene Karriere/Job ist dann schon wieder Intersektionalität: Handlungsfreiheit wird dadurch eingeschränkt – auch die von Außenstehenden – dass wir in einer kapitalistischen Gesellschaft leben. Das möchte ich keinesfalls leugnen. Dadurch dass die Beziehungen auf Arbeit eben auf Zwang beruhen, denke ich nicht, dass meine Forderung 1:1 auf den Arbeitsplatz anzuwenden ist.

        Also, ich finde es normal, dass man auch mal einen Vergewaltiger im Freundes- oder Bekanntenkreis hat.

        Dass es normal ist, dem widerspreche ich nicht. Ich möchte halt darauf hinwirken, dass es nicht normal bleibt.
        Dass diese Forderung eben nicht einfach so umzusetzen ist, weil Täter* und Betroffene/Mitwisser*innen in verschiedenen Abhängigkeitsverhältnissen zueinander stehen, ist klar.
        Ich habe halt die Hoffnung, dass sozialer Druck wenigstens etwas bewirken kann. Im Idealfall Überlebende davor zu bewahren, ihren Freund*innenkreis zu verlieren und den Täter* regelmäßig sehen zu müssen.

    2. Tja…… Schwierig…. Viele Vergewaltigungen und Missbrauch passieren halt auf dem Arbeitsplatz oder in Vereinen oder Schulen. Auch Familienmitglieder kann man auch nicht einfachmal so entsorgen. Traurig ist es ja, dass es die Opfer sind, die gehen müssen. Die Täter bleiben da. Eigentlich müsste es andersrum sein. Aber irgendwie werden auch Leute, die abstrakt gegen Vergewaltigung sind, plötzlich zu Anhängern von Rechtstaatlichkeit und Unschuldsvermutung, wenn sie eine konkrete Person vor sich hat. Und weil sie sich überfordert fühlen, tun sie so, als ob sie nichts sehen und nichts hören.

      Der Missbrauchsbeauftragter will demnächst eine Kampagne starten, wo Eltern und Kinder über das Thema Missbrauch durch Lehrer aufgeklärt werden sollen. Ist ja auch gut so. Aber wie sollen Lehrerinnen Kindern beibringen, „Nein“ zu sagen, Hilfe zu holen und Anzeigen zu erstatten – wenn sie ihrerseits von Kollegen vergewaltigt werden und sie dabei die Erfahrung machen, dass die Polizei nicht hilft, der Täter gedeckt wird, und sie als Opfer zum Schweigen gebracht werden?

  3. Zum Thema Mitwisser_innen: Wenn die betroffene Person mir sagt, ich soll keinem was sagen, dann halt ich mich auch dran. Auch wenns schwerfällt. Wenn man die Definitionsmacht von Betroffenen anerkennt, führt da kein Weg dran vorbei.

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