Verbale Entstressung 01: Passiv-Aggressivität

Schlagwörter: Kommunikation – Passiv-Aggressivität – verbale Verteidigung

In manchen Diskussionen nicht unterzugehen ist eine schwierige Sache. Oft beruht das darauf, dass gar nicht fair diskutiert wird.
Vor allem durch die Lektüre von Captain Awkward, aber auch hier und da anderen Seiten und Büchern habe ich einige interessante Strategien kennen gelernt oder auch selbst entwickelt, die ich so weit zusammentragen möchte. Ich werde die Strategien nach Situationen strukturieren, in denen sie am erfolgversprechensten sind. Die Situationen werden einander nicht zwingend ausschließen, aber ich traue meinen Leser*innen zu zu erkennen, was für sie in welcher Situation angemessen wirkt.
Dies ist der erste Teil einer Serie, weil ich während des Schreibens gemerkt habe, dass ich nicht alles in einem Artikel unterbekomme.
Fangen wir an.

Disclaimer: dieser Artikel und die gesamte Serie wurde nicht von einem aktuellen Ereignis ausgelöst, das jemandem, der_die ihn liest, bekannt sein sollte. Vielmehr bestand meine Motivation darin, all die Anregungen, die ich bereits gehört und gelesen habe in eine hilfreiche und knappe Form zu gießen.
Ich werde hauptsächlich von mündlicher oder schriftlicher Kommunikation reden, aber durch das Internet und Social Media dehnt sich das natürlich auch auf Nutzung von Twitter, Facebook, E-Mails, Skype etc. aus.

Passiv-Aggressivität

Manche Menschen sprechen passiv-aggressiv fließend, aber ich habe keine Lust, mich darauf einzulassen.

Erst einmal zum Begriff: ich bezeichne ein Verhalten bzw. Kommunikationsmuster als „passiv-aggressiv“, bei dem eine Person demonstriert, dass sie aufgebracht über etwas ist, das ich getan oder unterlassen haben soll, dies aber nur indirekt kommuniziert. Viele mögliche Verhaltensweisen fallen hierunter: anschweigen, nur schnippische Antworten geben, „Du weißt schon, worum es geht.“ bis hin zum Kommunizieren mit Zettelchen oder durch/gegenüber gemeinsame/n Bekannte/n, die als Sprachrohr genutzt werden, obwohl man sich jeden Tag sieht.

Transportiert wird: „du hast etwas falsch gemacht und ich bin wütend auf dich“, aber durch das Ausbleiben einer Konfrontation wird der betroffenen Person die Möglichkeit entzogen, sich zu erklären. Wenn man sich weigert, auf die unterschwellige Aggression einzugehen, ist ein Auflösen des Konflikts nicht ohne Weiteres möglich. Eine angespannte Atmosphäre, Schuldgefühle und Ärger bestehen trotzdem.

Zwei einhalb mögliche Lösungen:

  • Was nicht kommuniziert wird, ist nicht da gepaart mit beißender Freundlichkeit. Diese Methode empfehle ich vor allem, wenn es sich um Menschen handelt, die einem weniger wichtig sind bzw. die man nur in bestimmten Kontexten trifft. Das können Familienangehörige sein, auf deren Meinung man nichts gibt, Nachbar*innen oder Menschen am Arbeitsplatz.
    Das Vorgehen sieht wie folgt aus: wenn sie nicht direkt ansprechen, was sie gerne klären würden, werden alle Andeutungen ignoriert, sinnlose Notizen weggeworfen (oder dokumentiert, falls die Person Probleme zu machen droht), aber gleichzeitig bleibt man freundlich und höflich und reagiert auf das, was gesagt wird. Wenn Andeutungen gemacht werden, kann auch naives Nachfragen (siehe Folgeartikel) genutzt werden.
    Ziel ist es zu zeigen, dass man nicht auf unterschwellige Wut eingehen wird, wenn die Person sich nicht deutlich äußert.
    Am besten fürs eigene Wohlbefinden ist bei dieser Methode, sich selbst eine Sichtweise anzutrainieren, die mit dem Vorgehen konform geht. Damit meine ich ein Selbstverständnis zu entwickeln, dass man nicht die Pflicht hat, Unausgesprochenes überhaupt zu bemerken, geschweige denn darauf einzugehen. Anderenfalls können trotzdem Schuldgefühle auftreten.
  • Die Methode für sehr gute Freund*innen und andere wichtige Menschen kann direkt sein lauten. „Ich habe den Eindruck, dass du wütend auf mich bist (Beobachtung) und würde das gerne klären, falls es etwas zu klären gibt. […] Wenn es jetzt oder in Zukunft ein Problem geben sollte, sprich es bitte direkt an (Bitte). Sonst werde ich davon ausgehen, dass es kein Problem gibt (Konsequenzen).“ Die Konsequenzen führen dann direkt dazu, Methode eins anzuwenden, denn Grenzen aufzuzeigen ohne sie durchzusetzen funktioniert sehr selten.
  • Die Methode zwei einhalb richtet sich an dich als Außenstehende*r: gib niemals negative Aussagen weiter. Ich habe es sowohl erlebt, dass Menschen dazu aufgefordert wurden, x doch mal mitzuteilen, dass y wütend ist als auch dass negative Sachen einfach kategorisch weitererzählt wurden.
    Besonders wenn man sich von einer manipulierenden/stalkenden Person entfernen möchte, ist das das Schlimmste, was passieren kann. Es bringt der Person, die adressiert wird schlicht nichts. Weder kann sie die Lage klären, noch hat sie ihr Ziel erreicht, sich von der manipulierenden Person zu distanzieren, noch wird sie von den Emotionen verschont, die unweigerlich aufkommen.
    Lass‘ dich insofern niemals als Postbot*in einspannen. Selbst wenn es gute Gründe für den Streit gibt, ist es kein akzeptables Mittel, Dritte in dieser Form miteinzubeziehen.

Abschließend einige allgemeinere Bemerkungen: Zentral bei Passiv-Aggressivität ist, sich nicht die Emotionen von anderen zu eigen zu machen. Klar kann es einen guten Grund für den Unmut des Gegenübers geben, vielleicht ist man sogar wirklich Schuld. Es ist jedoch weder gesund noch zielführend, die Verantwortung für das Wohlbefinden einer anderen Person zu übernehmen. Wenn ich etwas falsch gemacht habe, sollte ich anstreben, es auch wieder gut zu machen. Es macht jedoch zu keinem Zeitpunkt Sinn sich vorzunehmen dafür zu sorgen, dass eine andere Person sich gut fühlt. Das liegt nicht in meiner Macht und führt zu einer Dynamik, in der man nicht gewinnt, weil man eine größere Verantwortung übernimmt, als man tragen kann.
Darüberhinaus kann es in jedem Kontext gegen eine*n verwendet werden, wenn man sich Sorgen macht, andere zu enttäuschen/wütend oder traurig zu „machen“. Das ist einer der Grundpfeiler, durch die es Frauen* gesellschaftlich schwer gemacht wird, ein Nein auszusprechen.