„Das unbestimmte Geschlecht“ oder goddammit, Deutschland ist langsam (Aktualisiert 19.8.)

Schlagwörter: Intersexualität – trans* – nicht-binär – Cissexismus

Nachtrag (18.08.13): Hier ist der Artikel von Zwischengeschlecht.org, den ich nicht mehr gefunden hatte. Er beinhaltet eine fundierte Analyse der Gesetzesneuerung und inwiefern die Intersexuellen irgendwie hilft, oder eben auch nicht. Danke @BettinaStefanie, @sigi_maurer, @maedchenblog.

…warnt vor den negativen Folgen für die Betroffenen, darunter erhöhter Druck auf die Eltern zu kosmetischen Genitaloperationen und selektiven Abtreibungen sowie staatliches Zwangsouting für die betroffenen Kinder.

Hier die Pressemitteilung der Internationalen Vereinigung Intergeschlechtlicher Menschen (IVIM) via @BettinaStefanie

Statt die Geschlechtseintragung für alle, nicht nur intergeschlechtliche, Kinder einfach offen zu lassen, werden erneut Sondervorschriften geschaffen, die Ausschlüsse produzieren. Die Lebenssituation der allermeisten intergeschlechtlichen Menschen wird sich dadurch nicht verbessern.

Nachtrag (19.08.13): Ein weiterer Blickwinkel zum Thema. via @graceishuman @glitter_n_love

In der Süddeutschen wird mal wieder darüber berichtet, dass es nun die Möglichkeit geben soll für intersexuelle Kinder keinen Geschlechtseintrag vorzunehmen, das Feld bleibt leer. Natürlich zieht das in einem Land voller Bürokratie einige Probleme nach sich, denn wenn wir die Menschheit nicht mehr in Frauen und Männer einteilen können, was ist dann noch real??? Oder anders gesagt: Jetzt bemerkt man, dass andere Gesetze von „einer Frau und einem Mann“ (z.B. in der Ehe) reden und das mit einem nicht existierenden Geschlechtseintrag im Konflikt steht. Genau so ist die Lebenspartnerschaft auf gleichgeschlechtliche Paare beschränkt. Da fragt sich der Artikel verwirrt, ob sich dem Geschlechtseintrag nach Intersexuelle nun ausschließlich mit Intersexuellen verpartnern dürfen. Ich möchte hier kurz die Möglichkeit nutzen, um drauf hinzuweisen: Wenn Deutschland nicht so ein bigotter Scheißstaat wäre, indem man meint, man könnte die Zahl von Geschlechtern an einer Hand (bzw. 2 Fingern) abzählen, dann hätten wir diese lächerlichen Probleme gar nicht. Man stelle sich vor eine Ehe dürfte zwischen zwei (oder mehr, hallo Polyamorie) Menschen geschlossen werden. Aber das wurde ja letztens verhindert.
Ich finde es einfach lächerlich in Mainstream-Zeitungen zu lesen, wie die Autor*innen mit großen Augen erkunden, dass es mehr als Frauen und Männer gibt. Für Transsexualität wird im Artikel gleich mal ausgegeben, was eigentlich binäre trans* Menschen beschreibt. Während er also für eine breitere Leser*innenschaft eröffnet, dass wow, es intersexuelle Menschen gibt, reduziert er die Welt der Geschlechter dann quasi auf drei: binär männlich oder weiblich – oder halt intersex. Is halt falsch, weil es einen ganzen Strauß an Identitäten gibt, der nicht in diese drei Kategorien fällt (abgesehen davon, dass „intersex“ nichts über das gender einer Person aussagt).

(Disclaimer: Ich bin nicht intersexuell) Abschließend ist zu sagen, dass ich mir Sorgen mache, was so ein Geschlechtseintrag bewirkt. Ich finde es gut, wenn sich wenigstens ein bisschen tut. Nicht weil ich das Bisschen in irgendeiner Weise ausreichend finde, sondern weil es lange überfällig ist, dass etwas unternommen wird. Ich frage mich jedoch, welchen Problemen Menschen mit einem nicht weiblichen oder männlichen Geschlechtseintrag begegnen werden. Im täglichen Leben ist es bereits eine gefährliche Sache, nicht „richtig“ für das Geschlecht zu präsentieren, das Menschen einer*m zuschreiben. Durch den Geschlechtseintrag haben dann Behörden, Ärzt*innen und Polizei direkten Zugang zu Infos, mit denen verantwortungsvoll umzugehen ich ihnen null zutraue.
Das ist aber kein Argument gegen den dritten (weitere/andere) Geschlechtseintrag, sondern eine Handlungsaufforderung an die Politik. Wenn Menschen aufgrund ihrer Identität Gefahr von Übergriffen ausgesetzt sind, dann brauchst es mehr als „Seid doch bitte alle tolerant“ und halbherzige Kampagnen. (Nicht mal die gab es bis jetzt, was T*I¹-Menschen angeht.) Es braucht Leute, die Ahnung vom Thema haben (nicht durch ein verdammtes Studium Der Anderen(tm) in der Tasche!) in bestimmenden Positionen, die Gesetzesvorschläge, Kampagnen, Weiterbildungen etc. beraten, kritisieren und abnicken können. Es braucht nicht konservative Regierungsfuzzis, die in 30 Jahren nicht über ihren Cis-Sexismus und ihren schreienden (RW = Redewendung) Mangel an Bildung zum Thema hinweg kommen werden.

1 Trans* und intersexuelle Menschen