Privilegien Physiotypischer

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Bevor die Frage aufkommt: ja, „physiotypisch“ habe ich mir in Anlehnung an „neurotypisch“ gerade ausgedacht (lat. physio- für „körper-„).
Es geht mir um Menschen, die keine körperliche Behinderung haben. Ich wollte jedoch weder „normal“ noch „körperlich gesund“ schreiben, da „normal“ schon mal ganz schrecklich ist, ich aber auch nicht davon überzeugt bin, dass eine körperliche Behinderung als Krankheit angesehen werden muss.
Mir geht gerade auf, dass ich teils körperliche und geistige Behinderungen meine, jedoch nicht Autismus oder geistige Krankheit, weswegen es gerade schwierig wird, alles in einem Wort zusammenzufassen. Ich hoffe, an den jeweiligen Punkten ist zu erkennen, wovon ich gerade spreche.

Wenn „physiotypisch“ als Begriff problematische Seiten birgt, die ich nicht beachtet habe, sagt mir das bitte. Ich möchte ja einen guten, keinen diskriminierenden Begriff verwenden.

Nun denn, wieder einmal 20 Privilegien, eine unvollständige Aufzählung.

(1) Medien konsumieren können, ohne dass vorher an ihrer Darstellung etwas geändert werden muss.
(2) Nicht darüber nachdenken müssen, welche Aktivitäten man unternehmen kann, weil es möglicherweise an barrierefreien Zugängen mangelt.
(3) Sich nicht dafür bedanken müssen, dass Menschen eigentlich selbstverständliche Dinge tun, wie zum Beispiel einen behindertengerechten Arbeitsplatz, Ausbildungs- oder Studienbedingungen schaffen.
(4) Keinem höheren Risiko ausgesetzt sein, Opfer von Missbrauch zu werden.
(5) Nicht verfolgen müssen, wie andere Menschen laut darüber nachdenken, Menschen wie dich umzubringen oder dass Menschen wie du ermordet werden, ohne dass Leute empört sind, sondern vielmehr die „Güte“ und „Gnade“ in diesen Taten und Gedanken preisen.
(6) Nicht dauernd für die eigene Sachen kämpfen müssen, weil nie jemand auf die Idee gekommen ist, man sollte auch Menschen mit deinen körperlichen Eigenschaften vollständige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gewähren.
(7) Ein Teil deiner Identität wird nicht als schlechte Metapher oder gar Schimpfwort benutzt (vgl. bestimmte Verwendungen von [Trigger Warnung für behinderungs-bezogene Beleidigungen] —– „blind“, „lahm“, „behindert“, „Spast“, „Spacko“, „M****“, …).
(8) Nicht dafür bemitleidet werden wie furchtbar furchtbar schlecht es eine_r gehen muss und dafür sanktioniert werden, wenn man es wagt, „trotzdem“ recht zufrieden zu sein.
(9) Keine Diskussionen verfolgen müssen, ob man Schwangerschaften, aus denen Menschen wie du hervorgehen könnten, nicht automatisch abbrechen sollen dürfte.
(10) Nicht verfolgen müssen, wie man Eltern mit Kindern wie dir bedauert und ihren Mut und ihre Ausdauer bewundert.
(11) Menschen mit deinen körperlichen Eigenschaften in den Medien repräsentiert sehen, ohne dass sie immer für ein ganz bestimmte Rolle stehen.
(12) Nicht immer wieder mitbekommen, wie körperliche Eigenschaften von dir für vollkommen beschissene Witze genutzt werden.
(13) Üblicherweise eine angemessene Menge an „Spoons“ ( =“Löffel“ – Menge an Energie) zur Verfügung haben, um über den Tag zu kommen.
(14) Nicht aufgrund von körperlichen Eigenschaften bei der Jobsuche (oder Ausbildung) benachteiligt werden.
(15) Keine höheren Kosten für einen höheren Pflegebedarf/bestimmte Umbauten an der Wohnung/bestimmte notwendige Gegenstände oder Medikamente tragen müssen und gleichzeitig weniger Chancen Geld zu verdienen haben.
(16) Nicht generell als „anders“ wahrgenommen und dadurch in Teilen völlig vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden.
(17) Nicht bevormundet werden/bestimmte Dinge nicht zugetraut bekommen.
(18) Stadt-/Verkehrs- und die Planung von Gebäuden ist auf deine physischen Eigenschaften ausgerichtet, woraus diverse Annehmlichkeiten resultieren.
[Edit vom 12.01.2012 15:45]
(19) Du wirst nicht automatisch als asexuelles Wesen wahrgenommen.
(20) Es wird nicht in Frage gestellt, dass du ein Recht und die Möglichkeit haben solltest, deine Sexualität auszuleben.
[/Edit]

Mir ist bewusst, dass einige Punkte auch für Menschen mit anderen Ebenen der Diskriminierung zutreffen können (siehe auch Konzept der Intersektionalität). Dadurch sind die hier genannten Punkte für Menschen mit körperlicher (und/oder geistiger) Behinderung aber nicht weniger wahr oder relevant.

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